Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
Vom Netzwerk:
der Ablehnung seines Angebots nur der Weg der stellvertretenden Sühne übrigblieb: dass er das auf Israel zukommende Unheil auf sich nehmen musste, um so vielen das Heil zuzuwenden.
     
    Was sollen wir dazu sagen? In sich ist eine solche Entwicklung, das Beschreiten eines neuen Weges der Liebe nach dem Scheitern eines ersten Angebots, von der ganzen Struktur des biblischen Gottesbildes und der Heilsgeschichte her durchaus möglich. Zu den Wegen der Geschichte Gottes mit den Menschen, die uns im Alten Testament geschildert werden, gehört gerade diese „Flexibilität“ Gottes, der auf die freie Entscheidung des Menschen wartet und aus jedem Nein heraus einen neuen Weg der Liebe eröffnet. Auf das Nein Adams antwortet er mit neuer Zuwendung zum Menschen. Auf das Nein von Babel antwortet er, indem er in der Erwählung Abrahams einen neuen Einstieg in die Geschichte eröffnet. Die Forderung nach einem König für die Israeliten ist zunächst Trotz gegen Gott, der unmittelbar über sein Volk herrschen will. Aber in der Davidsverheißung wandelt er diesen Trotz um in einen Weg, der dann direkt auf Christus, den Davidssohn,zuführt. So ist eine ähnliche Zweistufigkeit im Wirken Jesu durchaus möglich.
    Das 6.   Kapitel des Johannes-Evangeliums scheint eine solche Wende im Weg Jesu mit den Menschen anzudeuten. Das Volk und viele seiner Jünger wenden sich nach der eucharistischen Rede von ihm ab. Nur die Zwölf bleiben bei ihm. Einen ähnlichen Einschnitt finden wir im Markus-Evangelium, wo Jesus nach der zweiten Brotvermehrung und nach dem Petrusbekenntnis (8,27   –   30) mit den Leidensweissagungen beginnt und sich auf den Weg nach Jerusalem und zu seinem Letzten Pascha macht.
    Erik Peterson hat 1929 in seinem immer noch höchst lesenswerten Aufsatz über die Kirche die These vertreten, dass es die Kirche nur gibt unter der Voraussetzung, „dass die Juden als das von Gott erwählte Volk nicht an den Herrn gläubig geworden sind“. Hätten sie Jesus angenommen, so „wäre der Menschensohn wiedergekommen und das messianische Reich wäre hereingebrochen, in dem die Juden den wichtigsten Platz eingenommen hätten“ (
Theologische Traktate,
S.   247). Romano Guardini hat in seinen Werken über Jesus diese These aufgenommen und abgewandelt. Für ihn beginnt die Botschaft Jesu klar mit dem Angebot des Reiches; das Nein Israels habe zu der neuen Phase der Heilsgeschichte geführt, zu der Tod und Auferstehung des Herrn und die Kirche der Heiden gehören.
     
    Was also sollen wir zu alledem sagen? Zunächst dies: Eine gewisse Entwicklung in der Botschaft Jesu mit neuen Entscheidungen ist durchaus möglich. Peterson selbst verlegt freilich den Bruch nicht in die Botschaft Jesu, sondern in die Zeit nach Ostern, in der in der Tat die Jünger zunächstnoch einmal um das Ja Israels rangen. Erst in dem Maß, in dem sich das Scheitern dieses Versuchs zeigte, sind sie zu den Heiden gegangen. Dieser zweite Vorgang ist für uns in den Texten des Neuen Testaments deutlich fassbar.
    Dagegen können wir Entwicklungen im Weg Jesu immer nur mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit vermuten, aber nicht deutlich fassen. Ganz sicher gibt es nicht den schneidenden Gegensatz zwischen der Reich-Gottes-Verkündigung und der Jerusalemer Botschaft, wie er uns in den Thesen moderner Exegeten begegnet ist. Die Indizien für eine gewisse Entwicklung im Weg Jesu haben wir vorhin notiert. Aber nun müssen wir sagen (was zum Beispiel John P.   Meier deutlich herausgestellt hat), dass die Anlage der synoptischen Evangelien uns keine Chronologie der Verkündigung Jesu ermöglicht. Gewiss, die Akzente auf der Notwendigkeit von Tod und Auferstehung werden im Voranschreiten des Weges Jesu deutlicher. Aber das ganze Material ist nicht chronologisch geordnet, so dass wir klar ein Früher oder Später voneinander abheben könnten.
    Ein paar Hinweise mögen genügen. Bei Markus steht schon im 2.   Kapitel, im Disput über das Fasten der Jünger, die Vorhersage Jesu: „Es werden Tage kommen, in denen der Bräutigam genommen wird, und dann werden sie fasten, an jenem Tag“ (2,20). Noch sehr viel gewichtiger ist die Definition seiner Sendung, die sich hinter seinem Reden in Gleichnissen verbirgt – in den Gleichnissen, die seine Reich-Gottes-Botschaft für die Menschen darstellen. Jesus identifiziert seine Sendung mit derjenigen, die dem Jesaja nach der Begegnung mit dem lebendigen Gott im Tempel gegeben worden war: Dem Propheten war gesagt

Weitere Kostenlose Bücher