Jesus von Nazareth - Band II
Gabe Jesu wesentlich Gabe von der Auferstehung her ist, musste sich die Feier des Sakraments notwendig mit dem Auferstehungsgedächtnis verbinden. Die erste Begegnung mit dem Auferstandenen hatte sich am Morgen des ersten Tages der Woche – des dritten nach Jesu Tod –, also am Sonntagmorgen, vollzogen. Der Morgen des ersten Tages wurde damit von selbst der Zeitpunkt des christlichen Gottesdienstes, der Sonntag zum „Tag des Herrn“.
Diese zeitliche Festlegung der christlichen Liturgie, die zugleich ihr inneres Wesen und ihre Gestalt bestimmt, ist sehr früh vollzogen worden. So erzählt uns der Augenzeugenbericht in Apg 20,6 – 11 von der Reise des heiligen Paulus und seiner Gefährten nach Troas und sagt: „Als wir aber am ersten Tag der Woche versammelt waren, um das Brot zu brechen …“ (20,7). Das bedeutet, dass schon in apostolischer Zeit das „Brotbrechen“ auf den Morgen des Auferstehungstages verlegt war – dass Eucharistie als Begegnung mit dem Auferstandenen gefeiert wurde.
In diesen Zusammenhang gehört auch, dass Paulus anordnet, die Geldsammlung für Jerusalem habe jeweils am „ersten Tag der Woche“ stattzufinden (1 Kor 16,2). Von der Eucharistiefeier ist da zwar nicht die Rede, aber offensichtlich ist der Sonntag der Versammlungstag der korinthischen Gemeinde und damit doch wohl auch eindeutig der Tag ihres Gottesdienstes. Schließlich finden wir in Offb 1,10 erstmals für den Sonntag die Bezeichnung „Tag des Herrn“. Die neue christliche Gliederung der Woche ist klar ausgeformt. Der Tag der Auferstehung ist der Tag des Herrn und damit auch der Tag seiner Jünger, der Kirche. Am Ende des 1. Jahrhunderts ist die Tradition bereits klar fixiert, wenn die
Zwölf-Apostel-Lehre
(
Didachē
, ca. 100) ganz selbstverständlich sagt: „Am Tag des Herrn sollt ihr zusammenkommen, Brot brechen und danken, nachdem ihr zuvor eure Sünden bekannt habt“ (14,1). Für Ignatius von Antiochien († ca. 110) ist das Leben „nach dem Tag des Herrn“ bereits Unterscheidungskennzeichen der Christen gegenüber denen, die den Sabbat feiern (
Ad Magn
. 9,1).
Es war logisch, dass sich mit der Eucharistiefeier der anfangs noch in der Synagoge gehaltene Wortgottesdienst – Lesung der Schriften, Auslegung und Gebet – verband. Damit war dann zu Beginn des 2. Jahrhunderts die Gestaltwerdung des christlichen Gottesdienstes in ihren wesentlichen Komponenten abgeschlossen. Dieser Werdeprozess gehört in die Stiftung selbst hinein. Die Stiftung setzt – wie gesagt – die Auferstehung voraus und damit auch die lebendige Gemeinschaft, die unter der Führung des Geistes Gottes der Gabe des Herrn ihre Form im Leben der Glaubenden gibt.
Ein Archaismus, der hinter die Auferstehung und ihre Dynamik zurückgehen und nur das Abendmahl nachahmen wollte, entspräche gerade nicht dem Wesen der Gabe, die der Herr den Jüngern vermacht hat. Der Tag der Auferstehung ist der äußere und innere Ort des christlichen Gottesdienstes, und die Danksagung als schöpferische Vorwegnahme der Auferstehung durch Jesus ist die Weise, wie der Herr uns mit ihm zu Dankenden macht, wie er in der Gabe uns segnet und uns in die Verwandlung hineinzieht, die von den Gaben her zu uns kommen und auf die Welt ausgreifen soll, „bis er kommt“ (1 Kor 11,26).
6. KAPITEL
GETHSEMANI
AUF DEM WEG ZUM ÖLBERG
N ach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus“ – mit diesen Worten beschließen Matthäus und Markus ihre Abendmahlsberichte (Mt 26,30; Mk 14,26). Das Letzte Mahl Jesu – ob Pascha-Mahl oder nicht – ist vor allem ein gottesdienstliches Geschehen. In seiner Mitte steht das Dank- und Segensgebet, und es mündet wieder ins Gebet. Jesus geht mit den Seinen betend in die Nacht hinaus, die an die Nacht erinnert, in der Ägyptens Erstgeburt erschlagen und Israel durch das Blut des Lammes gerettet wurde (Ex 12) – in die Nacht, in der er das Schicksal des Lammes übernehmen muss.
Man nimmt an, dass Jesus im Sinn des Pascha, das er auf seine Weise begangen hatte, wohl einige Psalmen des Hallel (113 – 118 und 136) gesungen hat, in denen Gott für die Rettung Israels aus Ägypten gedankt wird, in denen aber auch von dem durch die Bauleute verworfenen Stein die Rede ist, der nun wunderbarerweise zum Eckstein geworden ist. Vergangene Geschichte wird in diesen Psalmen immer neu Gegenwart. Der Dank für die Befreiung ist zugleich Hilferuf inmitten immer neuer Bedrängnisse und Bedrohungen,
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