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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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neuen Weges. Und dieser Weg, so ging die verblüffende neue Perspektive weiter, musste durch den Kreuzestod zu Auferstehung, Himmelfahrt und Erhöhung führen. Die Geschichte des galiläischen Wandercharismatikers endete nicht am Kreuz, denn der Tod des Gesalbten machte Sinn – das war die Lehre des Paulus. Hier übersetzte sich das Judentum ins Christentum. Hier begann die neue Zeitrechnung.

Geheimnisvolle Geschichten
    Die Verfasser der Evangelien waren keine Historiker, sondern Gläubige. Erst nach langwierigen Streitigkeiten erhielt das Neue Testament seine heutige Form.
    Von Claudia Keller
    Es ist ein Fetzen Papyrus, neun mal sechs Zentimeter groß, unten spitz, oben eingekerbt, griechische Buchstaben auf Vorder- und Rückseite. »Pilatus ging wieder in das Prätorium und rief Jesus und fragte ihn: Bist du der König der Juden?« So heißt der Satz auf dem Schnipsel, ergänzt und übersetzt. Der Archäologe und Ägyptologe Bernard P. Grenfell hat das Dokument 1920 auf einem Markt in Ägypten gekauft. Die seltsamen Männer aus dem fernen Europa zahlen viel für so etwas, das war den Bauern und Hirten der Gegend schon klar. Grenfell hat, ohne es damals zu wissen, ein Stück aus dem Johannesevangelium gekauft, aufgeschrieben vermutlich zwischen 120 und 150 in Ägypten. Dieser Schnipsel gilt als die älteste Überlieferung der Evangelien, der Geschichten vom Leben, Lehren und Sterben Jesu – und von seiner wunderbaren Auferstehung. Wie lautete die ursprüngliche Botschaft Jesu, welche wahre Geschichte steckt hinter dem wohl wirkungsvollsten Buch der Menschheit? Diese Spurensuche ist eine Geschichte der Fragmente und offenen Fragen, der seriösen Archäologen und zwielichtigen Papyrushändler. Und immer geht es um den Ursprung des christlichen Glaubens.
    Für Christen ist diese Erkenntnis bis heute schwer erträglich: Keiner weiß genau, wie Jesus lebte. Wer dem Mann aus Galiläa begegnete, hat nichts über ihn aufgeschrieben. Wer über ihn schrieb, ist ihm nicht begegnet. Und wenn es Gott war, der die Evangelisten inspirierte, dann hat er ihnen eine ziemlich widerspruchsvolle Geschichte in die Feder diktiert. Lehrte Jesus ein oder zwei Jahre? Starb er nach heutiger Zeitrechnung an einem Donnerstag oder einem Freitag? Das eine wie das andere lässt sich aus den Schriften des Neuen Testaments herauslesen.
    Jesus sprach Aramäisch, doch die Evangelisten schrieben ihre Geschichten auf Griechisch – konnten sie in der fremden Sprache erfassen, was er meinte? Und vieles, was den Christen einzigartig an den Jesusgeschichten erscheint, ist in Wahrheit übernommen aus den Kulturen und Religionen jener Zeit vor 2000 Jahren. Die Predigten Jesu? Viele Gedanken finden sich schon in der jüdischen Weisheitsliteratur. Die Jungfrauengeburt, gern auch durch göttliche Zeugung? In den Mythen der Babylonier, Ägypter, Perser, Griechen und Römer ist sie ein gängiges Motiv, um die Herkunft eines Gottes, Halbgottes oder Heroen zu beschreiben. Wundergeschichten? Waren im Hellenismus die übliche Form, einen außergewöhnlichen Menschen zu kennzeichnen.
    Lange Zeit ist es riskant, das zu sagen. 1678 brennt in Paris ein Stapel Bücher: Richard Simon, ein frommer Mönch, hat die Texte des Neuen Testaments einer Untersuchung unterzogen, die er als Erster »historisch-kritisch« nennt. Mehr als 1300 Exemplare seines Buches sind gedruckt, doch der einflussreiche Bischof Jacques Bossuet sorgt dafür, dass die gesamte Auflage – bis auf wenige versteckte Exemplare – den Flammen übergeben wird. Aber die Neugier text- und sprachenkundiger Wissenschaftler ist geweckt: Sie bestimmen Entstehungszeiten und suchen Quellen, fragen nach der Absicht der Autoren. Der Boden christlicher Gewissheiten beginnt zu schwanken.

Evangelist Markus
    (koptische Malerei)
    F1ONLINE

Die ältesten überlieferten christlichen Zeugnisse stammen vom Apostel Paulus. Erfüllt vom Eifer des Konvertiten gründet er Gemeinden, hält Kontakt zu ihnen, schlichtet Streit. Er schreibt Briefe nach Rom und Korinth, Galatien, Philippi, Thessalonich, an seinen Mitarbeiter Philemon; da ist die Kreuzigung vielleicht 30 Jahre her. Er bezeugt, dass Jesus von den Toten auferweckt wurde. Er sagt, dass der Gekreuzigte die Sünden der Welt auf sich genommen hat und dass diese Erlösungstat nicht nur den Juden, sondern allen Menschen gilt. Doch über das Leben des Erlösers berichtet Paulus fast nichts.
    Die Erinnerung an den Mann aus Nazareth ist noch lebendig. Aber die Augenzeugen

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