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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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verweigert, obwohl sie seit 1983 dem Papst gehört: dem über vier Meter langen und 1,10 Meter breiten »Heiligen Grabtuch« Jesu, das seit 1578 im Turiner Dom aufbewahrt wird. Clemens VII ., einer der Gegenpäpste in Avignon, hatte 1392 festgelegt, dieses Tuch mit dem schattenhaften Ganzkörper-Abbild eines Gekreuzigten sei nicht als Reliquie zu betrachten, da es nicht sicher sei, dass der Abgebildete wirklich Jesus darstelle. Als das Tuch im 15. Jahrhundert in den Besitz des einflussreichen Hauses Savoyen gelangt war, werteten es spätere Päpste deutlich auf und widmeten ihm sogar einen Feiertag. Dennoch gilt es bis heute als »Ikone«, nicht als »Reliquie«. Der Begriff »Ikone« schließt die Möglichkeit ein, dass die Abbildung des Schmerzensmannes kein realer Abdruck, sondern ein raffiniert komponiertes Bild ist, auf dem verblichene Temperafarben den Eindruck von Blutflecken simulieren.
    Im Jahr 1988 haben Naturwissenschaftler mittels Kohlenstoffdatierung, der sogenannten C-14-Methode, anhand einer aus dem Grabtuch gelösten Stoffecke festgestellt: Das Leintuch stammt aus der Zeit zwischen 1260 und 1390, wahrscheinlich wurde es um 1325 gewebt. Demnach wäre das Tuch eine von Tausenden gefälschter Reliquien des Mittelalters. Andere Wissenschaftler zweifelten an der Exaktheit dieser Messung: was, wenn der untersuchte Fetzen später angenäht wurde? Man konnte aus dem Tuch Pollenspuren von Pflanzen isolieren, die im 1. Jahrhundert n. Chr. in Palästina wuchsen und dann von dort verschwunden sind. Was zumindest dafür spricht, dass das Tuch aus eben dieser Gegend und derselben Zeit stammen könnte.
    Wirklich beweisen lässt sich hier nur die eindrucksvolle Geschichte der Verehrung. Die Rezeptionsgeschichte allein schon macht das Grabtuch zu einem ehrwürdigen Glaubensdokument der Volksfrömmigkeit. Als das Tuch zuletzt 2010 im Turiner Dom gezeigt wurde, kamen mehr als zwei Millionen Pilger.
    Diese Volksfrömmigkeit missbrauchte – und missbraucht bis heute – Reliquien aber immer wieder als Zaubermittel, in der Hoffnung auf eine direkte Heilwirkung durch die Berührung des heiligen Gegenstands. Das katholische und auch das orthodoxe Verständnis des Reliquienkults ist bescheidener: Die Ehrfurcht vor den sterblichen Überresten der Heiligen und den Relikten des Auferstandenen gilt als Wert an sich; und dann hofft der Gläubige, dass die bewahrende Demut angesichts dieser Reliquien den betreffenden Heiligen oder gar Jesus selbst zu einer Fürbitte bei Gott veranlassen könnte, die dem Verehrer irgendwie zugutekommt.
    Seit der Aufklärung des späten 18. Jahrhunderts gilt der tote Mensch, auch der Heilige, immer seltener als irgendwie handelnde Person. Der Tote hat keine magisch wirkende Aura mehr, er ist eher Sache als Subjekt, verwesendes, »nun wirklich totes Gebein« (Arnold Angenendt in dem umfassenden Buch »Heilige und Reliquien«, 1994). Man begegnete dem Reliquienkult jetzt mit zunehmender Verachtung und mit Spott über das abergläubische Volk, das nur Wunder suche. Der Artikel »Relique« in der Enzyklopädie von Diderot und d’Alembert beginnt mit dem Hinweis, etliche der verehrten Knochen stammten wohl nicht von Seligen, sondern von Nichtgetauften. Die meisten Reliquienhändler seien Betrüger gewesen. Das ist wohl wahr, grundsätzlich aber verdienen Reliquien, sofern ihnen keine magischen Kräfte angedichtet werden, mehr als den Spott der Aufgeklärten. Reliquien wurden zu heiligen Büchern vor allem für Gläubige, die noch nicht lesen und schreiben konnten. Ohne ihre Anschaulichkeit wäre der Glaube an einen unfassbaren, absoluten Gott kaum zur Weltreligion aufgestiegen.

Die Jüngerinnen des Nazareners
    Zur Jesusbewegung gehörten von Anfang an
auch Frauen – unter ihnen Maria Magdalena.
    Von Sabine Bieberstein
    Jesus klagte am Kreuz: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Kurz bevor er starb, schrie er laut auf. So schildert es das Markusevangelium, das älteste der vier Evangelien. Einige Frauen, so heißt es dann, sahen von weitem dem furchtbaren Geschehen zu, »darunter Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus dem Kleinen und Joses, sowie Salome; sie waren Jesus schon in Galiläa nachgefolgt und hatten ihm gedient. Noch viele andere Frauen waren dabei, die mit ihm nach Jerusalem hinaufgezogen waren« (Mk 15,40 –41). Bemerkenswert ist, dass drei dieser Frauen namentlich benannt und zwei dazu noch über ihre Herkunft (Magdala) oder über ihre Familien (die Mutter

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