Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
bei Neros Gemahlin Poppaea erfolgreich um Gnade für ein paar verurteilte jüdische Priester gebeten habe. Nach der Heimkehr habe er sich dann bald den Aufständischen angeschlossen – natürlich nur, um sie von Dummheiten abzuhalten.
Klar, dass diese wohl kurz vor Josephus’ Tod um das Jahr 100 verfasste Selbstverteidigung kein böses Wort gegen Rom enthält. Klar aber auch, dass ein Mann, der ein Held des Widerstands gegen Judäas Besetzung gewesen sein will, ohne den Feind je wirklich gehasst zu haben, denkbar unglaubwürdig klingt. Kann man ihm überhaupt trauen?
Dubiose Erfolgsgeschichten wie die vom Losglück in der Zisterne und von der Weissagung für Vespasian gibt es tatsächlich einige. Anhand vieler weiterer Indizien versuchte der Philologe Richard Laqueur in einer detektivischen Studie den frühen Josephus als gerissenen Taktiker der Macht zu entlarven. Den späteren sah er als skrupellos-egomanischen Speichellecker Roms und Geschichtsfälscher. Das war 1920, und es gab die herrschende Meinung wieder.
Heute allerdings sind Fachleute viel vorsichtiger. So aufdringlich Eigenlob und Rechthaberei des Josephus auch tönen: Es war ihm wohl ernst damit, der führenden Macht am Mittelmeer zu beweisen, auf welch ehrwürdige Vergangenheit das jüdische Volk zurückblicken könne. »Leidenschaftliches historisches Interesse«, wie es der dänische Spezialist Per Bilde formuliert hat, zeigt er jedenfalls auf Schritt und Tritt, oft sogar patriotische Wehmut. Und da für viele Ereignisse, von denen er berichtet, ohnehin keine anderen Zeugnisse überliefert sind, werden die Historiker weiter Josephus studieren müssen – mit oder ohne Zutrauen.
Der Getriebene
Paulus brachte den neuen Glauben zu Griechen und Römern. Er war ein rastloser Kosmopolit, der sein Leben der Verbreitung des Evangeliums widmete.
Von Jürgen Gottschlich
Eine leichte Brise streicht über das Hochplateau in Anatolien, mehr als 200 Kilometer südwestlich von Ankara. Die Temperatur steigt kaum über 20 Grad, auch wenn die Sonne im Spätsommer den ganzen Tag am Himmel strahlt. Eine acht Meter breite gepflasterte Straße, an deren Rand noch die Grundrisse ehemaliger Geschäftshäuser erkennbar sind, ein Theater und die Fundamente eines Augustus-Tempels machen sichtbar, dass hier vor zweitausend Jahren eine Großstadt stand. Antiochia in Pisidien hieß sie und diente den Römern als eine der Bezirkshauptstädte ihres Imperiums. Die Nachfolger Alexanders des Großen hatten Antiochia etwa im Jahr 250 v. Chr. in dem Landstrich gegründet, der damals Galatien genannt wurde.
Noch einige andere Städte trugen damals den Namen Antiochia, um Antiochos zu ehren, den Vater des Begründers des Seleukidenreiches. Um Christi Geburt gewann das pisidische Antiochia an Bedeutung, weil die Römer hier etliche verdiente Legionäre als Kolonisten ansiedelten und die Stadt zum Verwaltungszentrum der Provinz machten. Heute liegt sie im Niemandsland der anatolischen Hochebene. Zwar sieht man in der Ferne die Dächer der Kleinstadt Yalvaç, doch die Ruhe in den von Gras überwachsenen Ruinen der antiken Stadt wird kaum durch Einheimische und noch weniger durch ausländische Besucher gestört. Obwohl der »Paulusweg«, eine 250 Kilometer lange, gekennzeichnete Wanderstrecke, in Antiochia endet, hat der Aufseher hier von einem Apostel Paulus noch nie etwas gehört: »Die Christen«, er meint die Byzantiner, »kamen erst später, nach den Römern.«
Die Ruinen von Antiochia liegen etwa 1200 Meter hoch und sind durch das Taurusgebirge von den Schwemmebenen am Mittelmeer getrennt. Die gesunde Höhenlage dürfte einer der Gründe gewesen sein, warum um das Jahr 48 herum Paulus gemeinsam mit seinem Begleiter Barnabas in mühevollen Tagesmärschen nach Antiochia in Pisidien wanderte. Paulus brauchte dringend gute Luft und Erholung. Der Apostel litt an einer schweren Krankheit, vermutlich an Malaria oder einer chronischen Augenkrankheit. Antiochia in den pisidischen Bergen war ein idealer Ort, um sich ein wenig auszuruhen. Hier lebte die Familie des römischen Statthalters von Zypern, Sergius Paulus, der den Missionar Paulus bewunderte und den Erholungsbedürftigen der Obhut seiner Verwandten anempfohlen hatte. Die nahmen Paulus und Barnabas dann auch freundlich auf.
Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an
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