Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
leidenschaftlicher die Botschaft von Jesus Christus zu verkünden. Gefängnisaufenthalte, Prügel und Steinwürfe konnten ihn davon nicht abhalten.
Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet … Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht. So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt.
RÖM 13
Der Neutestamentler und Experte für frühchristliche Handschriften, David Trobisch, hat vor wenigen Monaten ein Buch mit dem spekulativen Titel »War Paulus verheiratet?« veröffentlicht. Darin durchforstet Trobisch systematisch die Paulusbriefe nach biografischen Angaben und kommt unter anderem zu dem Schluss, dass Paulus wohl verheiratet war. Welche Rolle seine Frau bei seiner Missionsarbeit gespielt haben könnte, bleibt allerdings völlig im Dunkeln.
Paulus war, wenngleich als strenggläubiger Jude, in einer hellenistischen Umgebung sozialisiert worden, sprach neben Hebräisch auch fließend Griechisch und Latein und war, verglichen mit den vorwiegend ländlich geprägten Jesus-Nachfolgern in Jerusalem, ein Kosmopolit und Intellektueller.
Der Ort, an dem Paulus sich nach seinem Berufungserlebnis für viele Jahre niederließ, war Antiochia am Orontes. Dieses syrische Antiochia war damals, nach Rom und Alexandria, die drittgrößte Metropole des Römischen Reichs. Hier endeten die Handelswege aus Arabien und Zentralasien. Über Seleukia Pieria, die Hafenstadt von Antiochia, wurden Kostbarkeiten wie Seide und Weihrauch nach Rom verschifft. Von dort brach Paulus zu seiner ersten Missionsreise auf. In der heutigen türkischen Stadt Antakya, unweit der syrischen Grenze gelegen, gibt es außer einer großen Sammlung römischer Mosaiken vom früheren Glanz kaum mehr etwas zu sehen. Mehrere Erdbeben haben das antike Antiochia völlig zerstört. Antakya ist eine lebhafte Provinzstadt mit starkem arabischem Einschlag, in der allerdings mehrere Kirchen daran erinnern, dass hier noch vor hundert Jahren eine große christliche Gemeinde lebte.
Obwohl sich im antiken Antiochia das erste Mal überhaupt Menschen nachweislich als Christen bezeichneten (»Christianoi«), gibt es zu den frühen Gläubigen nur noch eine einzige sichtbare Verbindung. Am Rande der Stadt befindet sich, vielleicht 200 Meter über der Ebene, in einem Berghang eine natürliche Grotte. In dieser Höhle sollen sich die ersten Christen getroffen haben, geschützt durch die abgelegene Lage und einen Felsspalt am Ende der Grotte, durch den man im Notfall flüchten konnte. Hier hat, der Überlieferung zufolge, Petrus gepredigt, und hier soll sich auch Paulus mit seiner Gemeinde versammelt haben. Heute ist die Grotte ein Wallfahrtsort der katholischen Kirche. In Antiochia kam es zur entscheidenden Weichenstellung des frühen Christentums. Hier hatte sich erstmals eine größere Gemeinde außerhalb Judäas gebildet, in der sich sowohl Juden wie Heiden zu dem neuen Glauben bekannten. Paulus unterstützte diese Entwicklung vorbehaltlos. Während die Jesusbewegung in Jerusalem ganz selbstverständlich davon ausging, dass man zunächst Jude sein musste, um Christ werden zu können, vertrat Paulus die Position, dass jeder Mann und jede Frau kraft des Heiligen Geistes dem Heiland nachfolgen könne. Nötig sei lediglich die Taufe.
Um diese Frage zu klären, reiste Paulus gemeinsam mit Barnabas von Antiochia zu einem Gipfeltreffen mit Petrus, dem Jesusbruder Jakobus und anderen Aposteln nach Jerusalem. Was genau bei diesem historischen Apostelkonvent beschlossen wurde, ist nicht überliefert, aber Paulus interpretierte das Ergebnis so, dass es ihm weiterhin erlaubt sei, auch Nichtjuden zu missionieren. Wie Jürgen Becker in seiner Paulus-Biografie beschreibt, kam es wenig später dennoch zum Konflikt. Petrus, die Leitfigur der jungen christlichen Kirche, war nach Antiochia gereist und nahm am Leben der dortigen buntgemischten Gemeinde teil. Als aber weitere Mitglieder der Jerusalemer Jesusgefolgschaft nach Antiochia kamen und ihn dafür kritisierten, dass er das Mahl mit Nichtjuden teilte, distanzierte sich Petrus vom gemeinsamen Tisch. Für Paulus war das Verrat an den nichtjüdischen Christen, und das sagte er dem von Jesus berufenen »Felsen« deutlich ins Gesicht. Anschließend
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