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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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am Morgen, und die Luft im Schatten ist so diesig -feucht und knackig wie nur im Winter. Mir bleibt noch etwas Zeit, bis sie mich wieder in den Wagen laden und zum Gericht fahren, also lungere ich hier in den Toiletten beim Ausgang zum Gefängnishof rum. Ich hab sogar was zum Rauchen dabei, eine nagelneue Camel Filter frisch aus Detiveaux' Päckchen. Detiveaux ist wegen schwerem Diebstahl angeklagt und gerade großzügig gestimmt, weil seine Freundin zu Besuch war und ihr neues Baby dabei hatte. Ich hab ihm gesagt, es sieht genauso aus wie er, was irgendwie auch stimmt, obwohl's ein Mädchen ist. Und jetzt sitze ich hier, atme Wölkchen aus blauem Rauch und versuche, zwischen meinen Beinen hindurch zu aschen, ohne meinen Fortpflanzungsapparat zu versengen. Die Probleme schlüpfen aus meinem Trakt wie Ratten aus einem Flugzeug, und mit jeder Sekunde werde ich leichter und freier und schmiede Pläne wie verrückt. Trakte, Mann - ich sag's euch.
    Die Fahrt zum Gericht ist grau und ereignislos. Von der Maske aus höre ich die Helikopter über dem Gericht knattern, für den Fall, daß ich flüchte oder so. Ha - das könnte ihnen so passen. Käme ihnen sehr gelegen, wenn ich flüchte, dann müßten sie nämlich nicht auf den harten Kern der Reue beißen, wenn meine Unschuld ins Rampenlicht tritt. Sie werden einiges zu schlucken haben an abgestandener, kalter Wahrheit, soviel steht fest. Optimistisch und aufrecht sitze ich in der Maske auf meinem hohen Roß und esse Fritten. Ich nehm an, sie ahnen schon selber, daß die gute alte Wahrheit im Anmarsch ist, sonst würden sie mir keine Fritten vorsetzen. Das einzige Problem ist, daß meine Handschellen heute besonders eng eingestellt sind für den Weg zum Käfig, so daß ich eine Schulter hochziehen muß, um an den verschmierten Ketchup an meiner Wange zu kommen. Damit bin ich gerade beschäftigt, als ein Kegel Sonnenlicht langsam über den Boden des Gerichtssaals wandert und den Zeugenstand einhüllt wie den Berg Sinai. Das Geräusch von abgeranztem Leder scharrt die Treppe zur Tür hoch - man muß nicht hinschauen, um zu wissen, daß es Mom ist, auf ihrem Weg nach draußen. Sie läßt sich jeden Morgen beim Ankommen fotografieren, aber die Eingeweide des Tages verkraftet sie nicht. Draußen wird Pam warten, mit beiden Füßen auf den Pedalen ihres Mercurys.
    Der Richter trifft ein und nickt allen zu, und ich lehne mich zurück für das Schauspiel meines Schicksals.
    »Der Staat ruft Taylor Figueroa.«
    Taylor kommt in einem eleganten grauen Kostüm mit kurzem Rock durch die Zuschauerränge nach vorn. Sie wirft ihre Haare in den Nacken, fixiert die Kameras mit einem Mädchen-von-nebenan-Lächeln und steht dann rank und schlank wie eine Majorette da, um ihren Eid zu leisten. Gütiger Himmel, ist sie hübsch. Ein Hauch von dem, was hätte sein können, krabbelt über meine Zunge. Ich schlucke ihn runter.
    »Ms. Figueroa«, sagt der Staatsanwalt, »bitte nennen Sie Ihr Alter und Ihre berufliche Tätigkeit.«
    Taylor beißt sich auf ihre Lippe, als ob sie darüber nachdenken muß. Als sie dann spricht, geht ihre Atmung hoch, runter und am Ende wieder hoch, wie bei einem Auto, das die Gänge wechselt. Der Schulgerucheffekt.
    »Also, ich bin gerade neunzehn geworden, und ich war eigentlich Studentin, aber jetzt bin ich dabei, mir irgendwie was im Bereich Medien zu suchen.«
    Der Staatsanwalt nickt einfühlsam, dann runzelt er die Stirn. »Ich möchte Ihnen keine unnötigen Schmerzen zufügen, aber Sie werden verstehen, daß dieses Verfahren mir auferlegt, Ihnen ein paar heikle Fragen zu stellen - bitte heben Sie einfach Ihre Hand, wenn es unerträglich wird.«
    Taylor klemmt ihre Lippe mit einem Zahn ein und läßt sie langsam hervorrutschen. »Egal, geht schon.«
    »Sie sind sehr tapfer.« Der Staatsanwalt läßt seinen Kopf hängen. »Ms. Figueroa, habe Sie jemals Probleme mit einem Stalker gehabt?«
    »Einem Stalker?«
    »Einem Fremden oder flüchtigen Bekannten, der ein übermäßig starkes Interesse an Ihnen gezeigt hat?«
    »Äh, ja, da war dieser eine Typ.«
    »Aus welchem Grund haben Sie das Interesse dieser Person als ungewöhnlich empfunden?«
    »Na ja, ich meine, er ist einfach aus heiterem Himmel aufgetaucht und hat angefangen, diese ganzen Verbrechen zu gestehen und was weiß ich.«
    »Kannten Sie ihn denn bereits vorher?«
    »H-hmm, also ich meine, nur flüchtig - ich hab ihn, glaub ich, mal draußen vor einer Party gesehen.«
    »Draußen vor einer Party?«
    »Ja,

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