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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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tut mir leid, daß ich Ihnen das zumuten muß ...«
    Lallys zitternde Hand schneidet ihm das Wort ab. »Wenn nur diese unglücklichen Seelen endlich ihren Frieden finden.«
    Ein Schniefen geht durch den Saal. Alle Piffigkeit ist vom Staatsanwalt abgefallen, ohne eine Spur zu hinterlassen - als hätte es nie welche gegeben. Nach acht Jahrhunderten Pause fragt er nur: »Haben Sie auch gesehen, wie der Angeklagte Officer Barry Gurie getötet hat?«
    »Von der Stelle aus, wo ich verletzt lag, sah ich den Angeklagten auf Officer Gurie zulaufen. Ich hörte ein Geräusch wie von scharrenden Füßen, dann drei Schüsse ...«
    Der Staatsanwalt nickt und wendet sich an meinen Anwalt. »Ihr Zeuge.«
    Brian richtet seine Krawatte und geht zum Zeugenstand. Die Stille im Saal knackt wie Eidechsenknochen.
    »Mr. Ledesma - wie lange sind Sie schon als Fernsehjournalist tätig?«
    »Fast fünfzehn Jahre.«
    »Und wo?«
    »In New York hauptsächlich und in Chicago.«
    »Nicht in Nacogdoches?«
    Lally runzelt die Stirn. »Na-hein«, pifft er und bringt seinen Paradickmann in Stellung.
    »Schon mal dort gewesen?«
    »Na-hein.«
    Brian wirft ihm ein wissendes Lächeln zu. »Schon mal gelogen, Mr. Ledesma?«
    » Tss ... «
    »Ja oder nein.«
    »Mj-heinnn.«
    Mein Anwalt nickt und wendet sich an die Geschworenen. Er hält eine Visitenkarte hoch. »Meine Damen und Herren, ich werde dem Zeugen jetzt eine Geschäftskarte zeigen. Die Aufschrift lautet ›Eulalio Ledesma Gutierrez, Präsident & Cheftechniker, Care Media Nacogdoches‹.« Dann führt er sie wie ein Papierflugzeug vor Lallys Gesicht. »Mr. Ledesma - ist das Ihre Geschäftskarte?«
    »Ich bitte Sie«, pifft Lally. Er hat sich scheinbar plötzlich in eine alte Dampflok verwandelt - piff, piff.
    Brian setzt seinen härtesten Blick ein. »Ein Zeuge wird aussagen, daß Sie ihm diese Karte als Ihre eigene überreicht haben. Ich frage Sie noch einmal - ist das Ihre Karte?«
    »Ich hab gesagt, nein.«
    »Euer Ehren, gestatten Sie, daß ich zum Zwecke der Identifizierung eine weitere Zeugin zu diesem Verhör hinzuziehe ...?«
    »Nur zu«, sagt der Richter.
    Mein Anwalt nickt in Richtung Eingang. Die Flügeltür quietscht auf, und zwei Sanitäter führen eine kleine alte mexikanische Lady in den Gerichtssaal. Brian wartet ab, bis sie unsicher über den Treppenabsatz wackelt, dann treibt er Lally in die Enge.
    »Mr. Ledesma - ist das Ihre Mutter?«
    »Machen Sie sich nicht lächerlich«, brummt Lally.
    »Lally! Mein Lalo!« schreit die Lady. Sie reißt sich von den Sanitätern los, doch ihr Fuß verfängt sich an einer Stufe, und sie taumelt zu Boden. Der Richter springt auf und sieht mit gerunzelter Stirn zu, wie der Lady wieder auf die Füße geholfen wird. Sie schluchzt und versucht, Lallys Stimme zu orten, doch er bleibt stumm. Nur die Falten auf seinen Wangen winden sich doppelt so schnell.
    Brian wartet, bis wieder Stille eingekehrt ist, und spricht dann die alte Lady an. »Mrs. Gutierrez, bitte sagen Sie dem Gericht - ist das Ihr Sohn?«
    »Das ist er.«
    Sie zerrt ihre Helfer hinter sich her, doch dann verfehlt sie eine Stufe und hängt baumelnd an ihren Armen. Der Richter zieht seine Lippen zurück, als ob er gerade in einen glitschigen Haufen übler Laune getreten ist. Er schaut mit zusammengekniffenen Augen zu der alten Frau und schüttelt den Kopf.
    »Ma'am - können Sie auf Ihren Sohn zeigen?«
    Sämtliche Atemtätigkeit der Welt kommt zum Erliegen. »Lalo?« ruft sie. »Eulalio?« Er antwortet nicht. Dann, als einer der Anwälte seine Arme verschränkt und dabei leise raschelt, zuckt sie zusammen und zeigt auf den Staatsanwalt. »Lally!«
    Der Staatsanwalt wirft verzweifelt seine Arme in die Luft. Der Blick des Richters geht zu meinem Anwalt. »Einen Moment - verstehe ich das richtig, daß das Sehvermögen der Frau beeinträchtigt ist?«
    »Jede Frau kennt die Stimme ihres Kindes, Euer Ehren.«
    »Lalo?« schluchzt die Frau und streckt ihre Arme nach der Stereotypistin aus.
    Der Richter seufzt. »Wie in drei Gottes Namen wollten Sie denn damit eine eindeutige Identifizierung bekommen?«
    »Euer Ehren«, setzt Brian an, doch der Richter knallt seine Brille auf den Tisch und breitet seine Hände weit aus.
    »Herr Anwalt - die gute Frau sieht nichts.«
    Eine angenehme Nachtruhe fällt heute flach für mich. Rastlos werfen mich Horrorvisionen von Jesus hin und her - ich bin in ein Glücksspiel geraten, und wenn ich verliere, folge ich ihm nach. Als sie mich am nächsten Morgen in

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