Jesus von Texas
erfolgreich behandelt werden?«
»Die allgemeine Erkenntnislage legt das nahe, ja.«
Mein Anwalt senkt den Kopf, macht einen kleinen Spaziergang durch den Gerichtssaal und überlegt. Wahrscheinlich rechnet er Pi aus. Dann bleibt er stehen. »In Ihrem Gutachten für das örtliche Gericht in Martirio - haben Sie da eine ambulante Behandlung des Patienten in Ihrer Praxis empfohlen und sich gegen eine Inhaftierung ausgesprochen?«
Goosens schaut zum Richter hoch. Der nickt. »Ja«, sagt Goosens.
»Ein bißchen leichtfertig bei einem unheilbaren Psychopathen, finden Sie nicht auch?«
Gereiztheit huscht über das Gesicht des Doktors. »Solche Fälle sind oft schwer in einer Sitzung zu diagnostizieren.«
»So? Eben hatten Sie keinerlei Problem damit, der Jury diese Diagnose nahezulegen.« Brian stößt ein piffiges kleines Lachen aus. »Und, sagen Sie, Doktor, was die sexuellen Konnotationen angeht, die Sie da erwähnt haben - wäre es ebenso denkbar, daß sich die Fixierung einer antisozialen Persönlichkeit auf einen Mann richtet - oder einen Jungen?« Seine Kreise um den Zeugenstand werden enger.
»Natürlich. Jeffrey Dahmer ist ein gutes Beispiel ...«
»Aber wodurch unterscheidet sich normales homosexuelles Begehren von einer pathologischen Fixierung?«
»Nun, äh - durch Einverständnis. Ein Mensch mit einer pathologischen Abweichung würde sich seine Objekte mit Hilfe von Tricks oder Gewalt gefügig machen, ohne ihre Wünsche zu berücksichtigen.«
»Jemand, der Jungen sein Verlangen aufzwingt, wäre demnach ein Psychopath?«
»Das ist gut möglich, ja.«
Goosens sieht jetzt nicht mehr so blasiert aus. Mein Anwalt hört auf, ihn zu umkreisen, und nagelt ihn mit einem Blick fest. »Jetzt wird Schlitten gefahren«, besagt der Blick. »Oliver Goosens«, sagt er grüblerisch, »haben Sie schon mal den Namen Harlan Perioux gehört?«
Goosens wird weiß.
Brian dreht sich zur Jury um. »Meine Damen und Herren, Herr Richter, bitte entschuldigen Sie für einen Moment meine Wortwahl.« Er geht auf den Zeugenstand zu und lehnt sich fast in Goosens' Gesicht. »Wenn nicht, dann sagt Ihnen vielleicht eine Internetseite namens Knusperknabenknackarsch etwas?«
»Wie bitte?«
»Ein Mann namens Harlan Perioux wurde von einem Gericht in Oklahoma angeklagt, minderjährige Jungen für diese Website beschafft und mißbraucht zu haben. Sagen Sie uns bitte, unter Eid - wissen Sie etwas darüber?«
»Das muß ich nicht beantworten.«
Brian lächelt müde. Er nimmt ein paar Akten von seinem Tisch und hält sie hoch. »Ich habe hier Unterlagen, die beweisen, daß Sie, Oliver Goosens, früher den Namen Harlan Perioux trugen.« Durchdringendes Gemurmel breitet sich im Saal aus. »Ich halte Ihnen vor, Doktor Goosens, daß Sie vor fünf Jahren unter diesem Namen des Mißbrauchs von Jungen für Ihre pornografische Website in vier Fällen angeklagt waren.«
»Die Beschuldigungen wurden nie bewiesen.«
»Und darüber hinaus, Doktor, behaupte ich, daß Sie diese Website nach wie vor betreiben, und zwar unter dem Namen Serenaden von Sodom.«
Irgend jemand in den hinteren Reihen würgt ein prustendes Lachen ab. Der Richter schaut düster in die Runde.
»Habe ich recht, Doktor?« Brian sagt das ganz langsam und deutlich. »Ja - oder - nein?«
Goosens' Blick schlägt einen panischen Haken zum Richter. Der nickt auffordernd.
»Nein. Nicht hundertprozentig, nein.«
»Meine letzte Frage: Stimmt es, daß Sie auch Jesus Navarro Rosario behandelt haben, und zwar ungefähr zum Zeitpunkt der Schultragödie, im Mai dieses Jahres?«
Goosens' Blick plumpst zum Boden.
»Und daß Sie ihm diese Damenunterwäsche gegeben haben, deren Erwerb zu Ihrer Kreditkarte zurückverfolgt wurde?«
Brian hält einen Plastikbeutel hoch. Er enthält das Höschen, das Jesus am letzten Tag seines Lebens trug.
zwanzig
Ich sitz auf einer Gefängnistoilette und laß meinen irdischen Überdruck durch meinen Verdauungstrakt knattern, und das allein stimmt mich schon ein wenig hoffnungsvoll. Auch wenn ich so was eigentlich nicht sagen sollte: Seinen Trakt zu betätigen ist einer der größten Kicks überhaupt. Noch so eine grundlegende Sache über das Leben, die einem niemand beibringt. Und nicht nur, daß sie's dir nicht beibringen, sie erzählen dir sogar das Gegenteil, als wär's das Werk des Teufels oder so. Als ob alle verdammten Regeln der Welt von meiner Mom aufgestellt wurden, wenn man mal drüber nachdenkt.
Ich denk aber nicht drüber nach. Es ist früh
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