Jesus von Texas
und dann verbringen sie den Rest ihres Lebens damit, anderen zu erzählen, daß sie nicht lügen sollen.«
Lasalle schüttelt den Kopf. »Amen. Klingt so, als würdest du ganz einfach nichts mehr mit diesen Leuten zu tun haben wollen, ihnen am liebsten nie wieder begegnen.«
»Da haben Sie recht, Herr Pfarrer.«
»Nun«, sagt er und blickt sich in der Zelle um. »Dein Wunsch ist bereits erfüllt.«
Das versetzt mir einen Hieb. Ich richte mich auf.
»Was hast du dir sonst noch gewünscht, mein Sohn? Ich könnt wetten, du hättst ein paarmal gern deiner Mama das Maul gestopft - ich wette, du hast davon geträumt, nie wieder nach Hause zu müssen.«
»Wahrscheinlich schon ...«
»Bingo«, sagt er und hebt seine Handflächen. »Scheint so, als hättst du das große Los gezogen.«
»Aber, Moment mal - das ist die falsche Logik ...«
Sein Blick durchbohrt mich, und seine Stimme wird hart. »Ach, du bist also ein logischer Junge. Dann bist du also deshalb so fix und fertig von den Lügen der anderen und ihren schlimmen Angewohnheiten, die du so sehr haßt, weil du ein Logiker bist. Ich könnt wetten, du kannst mir nicht eine Sache sagen, die du liebst.«
»Äh ...«
»Bist schließlich ein ganzer Kerl, richtig? Mürrisch und unabhängig und so weiter. Oder, wart mal, laß mich raten - es liegt wahrscheinlich an deiner alten Dame, ich wette, sie ist eine von der Sorte, die bei dir wegen jeder Kleinigkeit Schuldgefühle auslöst und dir jedes Jahr zum Geburtstag dieselben dämlichen Glückwunschkarten kauft, mit Hundebabys und Dampfloks drauf ...«
»Das ist sie.«
Lasalle nickt und bläst Luft durch seine Lippen. »Mann, diese Frau muß wirklich eine unfaßbar blöde Fotze sein. Das muß ja der dümmste Mösenlappen sein, der je auf der Erde wandelte, wahrscheinlich ist sie so spastisch am Arsch ...«
»Hey, hey sind Sie sicher, daß Sie Pfarrer sind?«
»Mann, was muß das für ein selbsüchtige Pißrille sein ...«
» Es reicht, verdammt!«
Von der Tür kommt ein Geräusch; der Spion verdunkelt sich. »Nich so 'n Krach«, sagt der Wärter.
Ich merke, daß ich aufgesprungen bin und meine Fäuste geballt hab. Als ich Lasalle wieder anschaue, lächelt er. »Keine Liebe, he, Kid?«
Ich setz mich auf die Pritsche. Maden aus Klettband kriechen an meinem Rückgrat empor.
»Ich verrat dir was, ganz umsonst - dein Leben ist nichts als Sonnenschein, wenn du die Menschen liebst, die dich zuerst lieben. Jemals gesehen, wie deine Ma eine Geburtstagskarte für dich ausgesucht hat?«
»Nein.«
Er lacht. »Wie denn auch - im Tagesablauf eines Jungen sind keine Stunden dafür vorgesehen, sie zu beobachten, wie sie dasteht und jedes einzelne Wort in diesen Karten liest, wie ihre Seele jedes Gefühl dreht und wendet. Du bist wahrscheinlich viel zu beschäftigt damit, das verdammte Ding in deinem Kleiderschrank zu verstecken, um die Worte zu lesen, die da drinstehen, über die Sonnenstrahlen an dem Tag, an dem du zur Welt kamst. He, Vernon Gregory?«
Hitze steigt mir in die Augen.
»Du hast es versaut, mein Sohn. Schau dich an.«
»Aber ich wollte nicht, daß irgendwas passiert ...«
»Etwas mußte passieren, Kid. Mehr als das hier. Es wird Zeit, daß du deinem Gott gegenübertrittst.« Lasalle greift in seine Hosentasche und reicht mir einen alten Fetzen, damit ich mir die Tränen abtrocknen kann. Ich benutze meinen Hemdsärmel. Er streckt seine faltige Hand aus und schließt sie um meine. »Mein Sohn«, sagt er, » Ol' Lasalle wird dir sagen, wie alles läuft. Lasalle wird dir das Geheimnis des menschlichen Lebens verraten, und es wird dir wie Schuppen von den Augen fallen ...«
Während er das sagt, höre ich etwas draußen im Gang. Schritte. Dann Lallys Stimme.
vierundzwanzig
»Der Schlüssel zum Erfolg der ersten öffentlichen Abstimmung ist die Beschränkung der Auswahl«, sagt Lally. »Wir picken uns eine kleine Anzahl Gefangener heraus, führen ihre Namen gut ein, dann eröffnen wir die Abstimmung und schauen, wer uns eine Show liefert.«
Es hört sich an, als ob mindestens drei weitere Männer bei ihm sind. Der Wärter klopft eindringlich an unsere Tür, ohne sie zu öffnen, so, als ob wir einfach still sein sollen.
»Wir haben hundertvierzig Insassen in den Startlöchern sitzen«, sagt ein anderer Mann. »Sie meinen, wir sollten vielleicht drei Dutzend aufstellen für die erste Abstimmung?«
»Tss, auf keinen Fall. Zwei, höchstens drei. Arbeiten Sie für das Publikum ihre Eigenarten heraus, bringen
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