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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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Öffentlichkeit war zufriedengestellt. Zu allen Zeitpunkten der Geschichte war es das Recht der Gesellschaft, Kriminelle eigenhändig zu bestrafen. Es liegt klar auf der Hand, daß wir der Gesellschaft dieses Recht zurückgeben sollten.«
    »Deshalb also die Internet-Abstimmung?«
    »Genau. Und es geht ja hier nicht nur um Hinrichtungen, sondern um das ultimative Reality-TV, das es der Öffentlichkeit erlaubt, via Kabelfernsehen oder Internet das gesamte Leben der Gefangenen im Todestrakt zu verfolgen. Das Publikum kann sozusagen in ihrer Mitte leben und sich eine Meinung über die Strafwürdigkeit eines jeden Gefangenen bilden. Und jede Woche sind die Zuschauer rund um den Globus dazu eingeladen abzustimmen, welcher der Häftlinge als nächster hingerichtet wird. Das ist verwirklichte Menschlichkeit - der nächste logische Schritt hin zu wahrer Demokratie.
    »Aber über das Schicksal der Häftlinge wird doch sicherlich weiterhin vor ordentlichen Gerichten entschieden?«
    »Absolut, da können wir uns nicht einmischen. Aber die neuen beschleunigten Berufungsverfahren bewirken, daß die Häftlinge ihre Rechtsmittel sehr viel früher erschöpft haben, und sobald das der Fall ist, sollte die Öffentlichkeit meines Erachtens ein Wörtchen mitzureden haben bei der Sequenz der abschließenden Ereignisse.« Lally bläst ein piffiges Lachen zum Reporter und breitet seine Hände weit aus. »So wie jeder bedeutende Fortschritt, Bob, ist der Grundgedanke auch hier bestechend einfach: Kriminelle kosten Geld. Kommerzielles Fernsehen nimmt Geld ein.
    Kriminelle sind Quotenbringer. Werfen Sie beides in einen Topf, und siehe da - Problem gelöst.«
    Der Reporter wartet kurz ab, weil im Hintergrund ein Helikopter landet. Dann fragt er: »Was entgegnen Sie auf den Einwand, daß dabei die Rechte der Gefangenen verletzt werden?«
    »Ich bitte Sie - Gefangener zu sein bedeutet die Aberkennung von Rechten. Abgesehen davon schmoren Insassen heutzutage oft jahrelang in diesen Einrichtungen, ohne ihr Schicksal zu kennen - würden Sie mir nicht zustimmen, daß das grausam ist? Wir geben ihnen endlich, was das Gesetz immer versprochen, aber nie eingelöst hat: Zweckmäßigkeit. Darüber hinaus werden sie erweiterten Zugang zu spirituellem Beistand sowie umfangreiche Auswahlmöglichkeiten für die musikalische Begleitung des abschließenden Ereignisses haben. Es ist sogar ein spezielles Segment rund um die letzte Erklärung vorgesehen, mit einer Hintergrundkulisse nach freier Wahl. Glauben Sie mir - die Häftlinge werden die Änderungen begrüßen.«
    Der Reporter lächelt und nickt Lally zu. »Und was ist dran an den Gerüchten, daß Sie sich für einen Anlauf auf den Senat rüsten?«
    Ich schalte aus. Ich kann nicht behaupten, daß ich mich auf Kameras hier drin freue. Wir haben nur eine offene Toilette, wenn ihr versteht, was ich meine. Aber so kommt das Geld rein, nehm ich an. Im Internet können die Zuschauer auswählen, welche Zelle sie sehen wollen, sie können den Bildwinkel der Kameras verstellen und so weiter, und im Fernsehen bringen sie Zusammenschnitte von den Highlights des Tages. Dann kann die Öffentlichkeit telefonisch oder übers Internet abstimmen - darüber, wer als nächster stirbt. Je drolliger wir uns aufführen, je unterhaltsamer wir sind, desto höher ist unsere Lebenserwartung. Ich hab einen Alteingesessenen sagen hören, daß unser Leben genau wie das von echten Schauspielern sein wird.
    Ich richte mich auf, um bis zur Nachtruhe meine Metallkugeln klacken zu lassen, das mach ich neuerdings ständig. Ella Bouchard hat mir ein paar Zeilen Posie geschickt, die ich manchmal lese, über Herzen, die füreinander bestimmt sind, und was nicht alles. Ich weiß, daß es Poesie geschrieben wird, aber sie nicht, zumindest noch nicht. Heute abend bin ich allerdings nicht in Stimmung für die Posie, ich spiele nur mit meinen Ursache-und-Wirkung-Kugeln. Dann bringt Jones, der Wärter, das Telefon zu meiner Zelle. Das Handy ist eine der guten Sachen an Lallys Projekt - das, die geschlossenen Kabinen im Duschtrakt und die elektronischen Zigarettenanzünder, obwohl keine Flammen rauskommen.
    Ich nehme Jonesy das Telefon ab. »Hallo?«
    »Also«, sagt Mom, »ich möchte wirklich mal wissen, mit wem Lally geredet hat ...«
    »Die Frage ist eher, mit wem er nicht geredet hat.«
    »Kein Grund, schnippisch zu werden, mein lieber Vernon. Ich meine ja nur, das ist alles. Da kommen hier Leute vorbei und stellen Fragen nach deinem Vater, und

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