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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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enthält ein Testament - ich kann die Million jemandem hinterlassen, alles klar?«
    »Wart mal, Little!« brüllt ein anderer Insasse, »ich erhöhe auf fünfhundert. «
    »Halt die Luft an, verdammt«, schreit Jonesy. »Habt ihr nicht gehört - er hat's mir gegeben!« Er schaut auf die Uhr und deutet auf meine Latschen. »Mach dich fertig.«
    Als das Klappern seines Schlüsselbundes außer Hörweite ist, flattert ein Kichern durch den Trakt. »He, he, he, Jonesy«, kommt es aus den Zellen.
    »Little«, sagt mein Zellennachbar. »Endlich lernst du, wie man klarkommt.«
    Officer Jones gibt mir höchstpersönlich das Geleit durch den Trakt und zur Treppe runter, auf der Suche nach Lasalle. Unterwegs müssen wir einem Pförtner ausweichen, der einen Wagen voller Fernseher und Radios zurück zu den Zellen schiebt. Die Abstimmung ist also gelaufen. Hinter den Geräten stelzt wichtigtuerisch der Mann im dunklen Anzug heran, der die Hinrichtungspapiere bringt. Sein Job ist es, sie dem Chefwärter eines Trakts zu übergeben, damit der sie dem verurteilten Mann überreichen kann. Als er auf unserer Höhe ist, sehe ich, wie Jones kaum wahrnehmbar eine Augenbraue hebt. Der Mann mit dem Anzug schüttelt ebenso unmerklich den Kopf, und dann ist er an uns vorbei.
    »Keiner von meinen Jungs, der heute stirbt«, sagt Jones. Mein Magen entkrampft sich. Ich lebe wieder, vorerst. Als wir einen Stock tiefer ankommen, in einer anderen Etage als beim letzten Mal, steckt Jones seinen Kopf in ein normales Zimmer, aber es ist keiner drin.
    »Lasalle hier?« ruft er einem Wärter weiter hinten im Trakt zu.
    »Auf der Hütte«, sagt der Wärter. »Scheißen.«
    Jones bringt mich zum Duschtrakt ein Stockwerk tiefer und marschiert direkt mit mir rein.
    »Warten wir nicht, bis er rauskommt?« frage ich.
    »Keine Zeit. Heute ist Hinrichtungstag, ich muß runter. Ich geb dir fünf Minuten.« Er wirft ein paar scheele Blicke umher, dann überläßt er mich dem bräunlichen Echo von tropfendem Wasser und postiert sich draußen vor der Tür.
    Ich kauere mich auf den nassen Betonboden, um unter den Klotüren nach Zeichen menschlichen Lebens Ausschau zu halten. Die Türen von zwei Kabinen sind geschlossen, nicht, daß man sie verriegeln könnte oder so. Unter einer Tür hängen ein Paar Gefängnislatschen und normale Sträflingshosen. Unter der anderen sehe ich ein Paar polierte schwarze Schuhe und blaue Anzughosen. Das ist die Kabine, an die ich klopfe.
    »Lasalle - hier ist Vern.«
    »Jesses! Kannst du mir vielleicht sagen, was ich von einer verdammten Gefängnistoilette aus für dich tun soll?«
    »Äh«, piffe ich ironisch, »mir helfen, meinem Gott gegenüberzutreten?« Ich geh mal davon aus, daß es ironisch ist, wenn man am Hinrichtungstag irgendeines armen Bastards in einem Gefängnisscheißhaus piffige Sätze ausprobiert.
    »Scheiße«, flucht er.
    Sind alle mächtig angespannt heute - selbst durch diese Klotür surrt eine Anspannung, als ob wir uns gerade in der Tiefkühlabteilung vom Todes-Mart über den Weg gelaufen sind. Um mich herum türmen sich Wellen auf.
    »Deinem Gott willst du gegenübertreten?« sagt Lasalle. »Dann geh verdammt noch mal auf die Knie.«
    »Äh - ehrlich gesagt, es ist 'n bißchen naß hier draußen, Lasalle ...«
    »Dann wünsch dir meinetwegen was vom Weihnachtsmann, verdammt noch mal. Wünsch dir das, was du am meisten willst in dieser beschissenen Welt.«
    Ich denk einen Moment lang nach, vor allem darüber, ob ich lieber gehen sollte. Dann höre ich Lasalles Hose in der Kabine rascheln. Die Toilettenspülung rauscht, und er öffnet die Tür. Sein knittriger Truthahnnacken steckt in einem Hemdkragen mit einer Krawatte. Seine Unterlippe steht dümmlich ab.
    »Und?« sagt er und schaut umher. »Haben sie dich schon freigelassen?« Wie ein Vollidiot glotze ich in alle Richtungen, während er seine Krawatte richtet und eine Hand freundlich zum Ausgang hebt. »Officer Jones«, ruft er, »irgendwas Neues von der Begnadigung des Jungen?« Jones lacht nur, und es ist ein echt dreckiges Lachen. Lasalle funkelt mich an. »Soviel zum Weihnachtsmann.«
    »Und Sie wollen Pfarrer sein«, sage ich und drehe mich zur Tür, doch er greift meinen Arm und zieht mich zu sich herum. An seinem Hals steht dick die Röhre einer einzelnen Ader und pulsiert, als ob sie von einem Fortpflanzungsorgan genährt wird.
    »Blinde, dumme Scheiße«, rotzt er. Sein Atem reibt wie heißes Schleifpapier in meinem Ohr. »Wo ist denn dieser Gott, von

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