Jesus von Texas
Sie Interviews, Rekonstruktionen ihrer Verbrechen, Tränen von Angehörigen der Opfer. Dann, in der letzten Woche, geben Sie den Kandidaten Live-Webcam-Zugang - ein Kampf um Sympathie, Mann gegen Mann.«
»Verstehe«, sagt der Typ, »so ähnlich wie Big Brother, he?«
»Ganz genau - wie wir es den Sponsoren verkauft haben.«
»Aber wonach wählen wir die ersten beiden aus?« fragt ein dritter Mann.
»Das ist gar nicht so wichtig, vorausgesetzt, die Verbrechen sind schwerwiegend genug. Ich hab da allerdings neulich ein Konzept gehört, das ich ziemlich interessant fand, ich glaub, das war in einer Spielshow oder so - › Die Letzten werden die Ersten sein‹. Das hat was, finden Sie nicht auch?«
»Hübsch«, sagt der vierte Mann. »Das bleibt hängen.«
»Ganz genau.«
Die Schritte der vier werden langsamer, als sie sich der Zelle nähern. Man hört, wie der Wärter klirrend Haltung annimmt.
»Gibt es einen besonderen Grund, warum Sie hier unten sind, Officer?«
Der Wärter scharrt mit den Füßen, dann geht ein Schatten über den Spion. »Öffnen Sie die Tür«, sagt Lally. Der Schlüssel dreht sich im Schloß, und er schaut herein. »Was ist das denn hier?« Er dreht sich zum Wärter um. »Sollten die Männer nicht voneinander getrennt untergebracht sein?«
»Äh, ja klar, natürlich«, sagt der Wärter und spielt nervös an seinem Schlüsselbund. »Das ist bloß so was wie, ähm, Therapie, verstehn Sie? Ein paar gute Ratschläge, damit das Leben oben im Trakt etwas besser zu ertragen ist.«
Lally runzelt die Stirn. »Dieser Junge ist ein Massenmörder - für gute Ratschläge ist es da wohl ein bißchen spät. Und die Zellen hier unten sind sowieso off limits, hier bringen wir die Sound-Postproduktion unter.«
»Wie geht's deiner Mama?« frage ich Lally. Die Worte schäumen von meinen Lippen wie Speichel. »Motherfucker.«
»Jesses Maria, Junge!« sagt der Wärter mit erstickter Stimme.
Lally unterdrückt den Impuls, nach mir zu schlagen; seine Geschäftskumpel sorgen dafür, daß er ruhig bleibt. Ich starre ihn an. Wenn Blicke töten könnten, würde er sehr langsam sterben. »Kein Gebet im Himmel kann mich davon abhalten, es deinem Arsch heimzuzahlen«, höre ich mich flüstern. Selbst Lasalle weicht zurück.
Lally feixt bloß. »Trennen Sie die beiden.«
»Ja, Sir«, sagt der Wärter. Er strafft sich und fuchtelt mit der Hand grimmig in unsere Richtung. Ich versuche, noch einen Blick von Lasalle zu erhaschen, doch er schlurft schon davon.
»Lasalle - was ist das Geheimnis?« zische ich ihm hinterher.
»Später, Kid, später.«
Lally lächelt mich an, als ich aus der Zelle komme. »Versuchst immer noch, den Sachen auf den Grund zu gehen, was, Little-Man?« Er stößt ein asthmatisches Lachen aus, und dann, als er seine Männer wegführt, wird seine Stimme zu Echos zerhackt. »Also, am 14. Februar starten wir die erste Abstimmung.«
»Sie meinen, am Valentinstag?« fragt ein anderer Mann.
»Ganz genau.«
Ihr werdet's nicht glauben: Im Todestrakt kriegt man Werbepost. In der Woche vor der ersten Abstimmung erhalte ich einen Lottenebrief, in dem steht, daß ich auf jeden Falle gewonnen hab, und zwar eine Million Dollar. Das heißt, es steht außen auf dem Umschlag. Ich glaub, man muß Enzyklopädien oder so kaufen, um sie zu bekommen, oder um sie vielleicht zu bekommen. Außerdem finde ich einen Gutschein von Bar-B-Chew Barn - Chick 'n' Mix für zwei, einlösbar in allen Filialen des Staates. Richtig, sie sind jetzt in ganz Texas. Und morgen in der ganzen Welt, nehm ich an.
Ich arbeite gerade an meinem Kunstprojekt, als ich höre, wie Jonesy durch den Trakt in meine Richtung kommt. Sein Standort läßt sich anhand des Wortgeplänkels aus den anderen Zellen bestimmen. Er hat das Telefon dabei. Ich erstarre und verstaue meine Kunstutensilien. Doch wie das Leben so spielt, erreichen mich die großen Neuigkeiten, bevor Jonesy bei mir ankommt. Ich höre sie aus einem Fernseher irgendwo im Trakt.
»Der Körper des amerikanischen Staatsbürgers wird heute nach Hause überführt. Außerdem kamen bei dem Scharmützel vierzig Flüchtlinge ums Leben«, sagt der Nachrichtensprecher. »Nach der Unterbrechung - Endstation für den Serienmörder Vernon Gregory Little; wir haben das Neueste zu der gescheiterten Berufung; und außerdem: die Ente und der Hamster, die sich einfach nichts verbieten lassen wollten!«
Jones schaut mich nicht an, als er mir das Telefon reicht. »Vernon, es tut mir leid«, knistert
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