Jesus von Texas
Beschimpfungen formieren sich in meiner Kehle. Der Kautionsgedanke läßt sie dort stecken.
»Herr Doktor, ich weiß nicht, das ist nicht richtig«, sage ich. Was für eine blöde Fotze, ehrlich. Ich sollte ihm ein Tischbein durch sein beschissenes Auge jagen, daß er wimmert wie ein Hund an der Leine. Jean-Claude würde das so machen. James Bond würde das auch so machen, mit einem verdammten Cocktail-Glas in der Hand. Ich dagegen quieke nur wie ein bescheuerter Wichtel. Es interessiert ihn sowieso nicht. Die Musik kommt zum Höhepunkt, explodiert, und ein kühler Finger dringt in mich ein. Während ich wimmere wie ein Hund an der Leine.
»Okay, schön, schön, einer für Jesus. Einfach entspannen, der nächste Eingriff wird nicht im geringsten weh tun - ach ja, und es muß dir nicht peinlich sein, wenn du erregt bist.« Er nimmt eine Salatzange aus Stahl, rückt seine Schweißerbrille zurecht und nähert sein Gesicht meinem Arsch.
»Glaub ich kaum.« Zitternd drehe ich mich weg und schnelle hoch. Spinnenfäden aus Speichel fliegen mir aus dem Mund. Goosens weicht mit erhobenen Unterarmen zurück, wie ein Chirurg.
Langsam greift er nach dem Handtuch, das auf dem Bett liegt, und wischt sich den Mittelfinger ab. Riesige ingwerfarbene Augen starren mich durch die Schweißerbrille an. Die Geschwindigkeit, mit der ich in meine Klamotten steige, ist das Gegenteil von der am Morgen eines Schultages im Winter. Mein Hemd bleibt offen, meine Schnürsenkel auch. Nichts kann mich hier mehr halten.
»Überleg dir das genau, Vernon«, sagt Goosens. »Überleg dir genau, ob du deinen Kautionsantrag aufs Spiel setzen willst.« Er hält einen Moment lang inne, seufzt und schüttelt den Kopf. »Denk dran - in deiner Lage gibt es nur zwei Sorten von Menschen: prächtige, kraftstrotzende Jungs und Gefangene.«
Hinter mir peitscht die Musik Tornados in die Höhe, während ich durch das Wartezimmer nach draußen stolpere. Zwischen den schwärzesten Tönen hört man immer noch Dr. Fucking Goosens. »Okay - schön, schön.«
Wie eine Sphinx, oder ein Sphinxter, sitze ich im hinteren Teil eines Knastwagens unter meiner ganz persönlichen Wolke; in meinem Kopf marschiert immer noch dieses stumpfe Orchesterstück von Gußstab Holz. Nicht grad optimal, um die Erinnerung an den Psychowichser und seine beschissene Arschfreibeuterei zu vertreiben. Ich versuch, nicht daran zu denken, was in seinem Bericht stehen wird. Ich schau nur aus dem Fenster und lasse die Landschaft vorüberziehen. Entlang der Straße, die zurück in die Stadt führt, sind tote Gegenstände verstreut: ein verlassener Einkaufswagen, das Skelett eines Sofas. Unter einem Baum steht ein kaputter Fernseher, der nie wieder irgendwelche bescheuerten Clownsnummern zeigen wird. Ölpumpen bohren schmutzige Finger in die Landschaft, doch an allem, den Himmel und die Weite eingeschlossen, fahren wir vorbei, blind für den Zaundraht, der in einer geraden Linie von hier bis Mexiko schwirrt.
Mexiko. Noch so ein Coupon von dem Haufen, den ich einlösen werde, sobald ich in meinem Scheißleben mal das Sagen habe. Schaut euch doch bloß um in dieser Welt - überall sind die Coupons irgendwelcher Leute aufgespießt. Was sie tun werden, wenn; was sie tun werden, sobald. Warme Vorfreude auf lauter Dinge, die nie passieren werden.
»Hey, Junge«, sagt einer der Wärter, »du polierst doch nicht etwa deinen Bolzen dort hinten, oder?« Dann kommt dieses »Harr-chr-chr«, das er nur von Barry, dem Fettsack, gelernt haben kann. Ich könnt schwören, daß die Typen diesen einen Gag unter sich zirkulieren lassen; wahrscheinlich gibt ihnen Ol' Barry nach Dienstschluß Nachhilfe in schmutzigen Witzen oder so. Fetzen ihrer Unterhaltung wehen zu mir nach hinten.
»H-hmm, Vaine Gurie hat im County wegen eines SWAT-Teams angefragt.«
»Über den Kopf des Sheriffs hinweg?«
»Ganz genau. Barry hat noch am selben Tag ihre Versicherungssumme erhöht.«
»Hat er dir das gesagt?«
»Nee, Tuck.«
»Tuck wie noch mal, der vom Leichenschauhaus? Was weiß der denn von Barrys Versicherung?«
»Tuck verkauft die verdammten Dinger. Hat mit Amway aufgehört, jetzt verkauft er beschissene Versicherungen.«
»Kein Scheiß?«
Mich beschleicht eine Erkenntnis: Leute, die dümmer sind als man selbst, haben am Ende das Sagen. Schaut euch doch nur an, wie's läuft. Ich will ja nicht behaupten, daß ich ein Genie bin oder so, aber diese Vollspasten kontrollieren jede meiner Bewegungen. So langsam glaube ich,
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