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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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die Abschrift einer digitalen Auf zeichnung, die am Tatort gemacht wurde, Frau Richterin. Ein CNN-Reporter hat sie uns im Interesse der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.« Lally, der Bastard, blitzt es in meinem Hirn auf. Man fragt sich, welche arme Sau er in dieser Sekunde in die Pfanne haut.
    »Das ist ja wirklich sehr gemeinsinnig von CNN. Wird denn das Alibi des Beschuldigten durch den Zeugen bestätigt?« fragt die Richterin.
    »Nicht im Text unseres Schriftsatzes, Euer Ehren. Unsere Aussage betrifft den möglichen Verbleib einer weiteren Waffe - ich bin sicher, wir alle stimmen dann überein, daß das den Kautionsantrag des Gefangenen wesentlich betrifft.«
    Richterin Gurie setzt ihre Brille auf und greift nach dem Dokument. Sie überfliegt es, runzelt die Stirn, läßt es sinken und lugt zum Anklagevertreter rüber. »Herr Staatsanwalt, die tatsächliche Mordwaffe wurde gleich zu Beginn gefunden. Wollen Sie damit sagen, daß Sie eine zweite Waffe mit diesen Verbrechen in Verbindung bringen können?«
    »Mit großer Wahrscheinlichkeit, Ma'am.«
    »Haben Sie diese Waffe?«
    »Die Waffe selber haben wir noch nicht, aber die polizeilichen Ermittlungen laufen.«
    Die Richterin seufzt. »Ich stelle fest, daß offensichtlich keiner von Ihnen das psychiatrische Gutachten gelesen hat. In Ermangelung unstrittiger Beweise werde ich auf dieser Bemessungsgrundlage entscheiden.«
    Über den Raum legt sich eine elektrisch geladene Stille, deren Dauer in Zehntausenden von Jahren meßbar ist. Die Leute teilen ihre Aufmerksamkeit zwischen mir und der Richterbank auf und stellen nebenbei die ehrbare und weltmännische Fähigkeit zur Schau, alles in sich aufzunehmen, ohne dabei zu wirken, als beobachteten sie genußvoll einen Verkehrsunfall. Wie sie das machen? Mit ihren Augenbrauen.
    Richterin Gurie sitzt einen Augenblick lang still da, dann läßt sie den Blick durch den Saal schweifen. Alles erstarrt.
    »Meine Damen und Herren, ich denke, es ist nicht übertrieben zu sagen: Es reicht! Wir haben es satt, ja, wir sind verdammt noch mal empört über diese fortwährenden Störungen unseres wohlverdienten Friedens.« Applaus tobt los; irgendein Arschloch johlt sogar wie ein Fernsehpublikum. Jetzt müssen nur noch alle »Gu-rie! Gu-rie! Gurie!« rufen.
    Die Richterin hält inne, um ihren Kragen zurechtzurücken. »Meine heutige Entscheidung berücksichtigt die Gefühle der Angehörigen der Opfer ebenso wie die der gesamten Gemeinde. Sie basiert außerdem auf der Annahme, daß der Beschuldigte, trotz seines stabilen, wenn auch nicht sonderlich wohlsituierten Hintergrunds, ein Anwärter darauf bleibt, sich als Mittäter dieser Verbrechen verantworten zu müssen.« Die Tippse schaut zu meinem Gehege rüber, wahrscheinlich um den Lack ihrer eigenen blöden Kids ein wenig zu polieren. Nicht eines von ihnen im Gefängnis heute, nein, meine Herren. »Vernon Gregory Little«, sagt die Richterin, »aufgrund der im Gutachten identifizierten Störung und unter Berücksichtigung der Einreichungen beider Anwälte entlasse ich dich ...«
    »Meine Babys, meine armen toten Babys«, winselt eine Frau in den hinteren Reihen. Entrüstung spritzt durch den Saal.
    »Ruhe! Lassen Sie mich fortfahren«, sagt die Richterin. »Vernon Little, ich entlasse dich in die Betreuung von Dr. Oliver Goosens, beginnend am Montag, auf ambulanter Basis. Jedes Versäumnis, dem Behandlungsplan des Doktors Folge zu leisten, zieht eine erneute Inhaftierung nach sich. Hast du das verstanden?«
    »Ja, Ma'am.«
    Sie lehnt sich über die Richterbank und senkt ihre Stimme. »Eine Sache noch - als Verteidiger würde ich ernsthaft erwägen, mich auf diese, ähm - Darmsache zu konzentrieren.«
    »Danke, Ma'am.«
    Einen Scheiß werde ich tun. Ich wühle mich durch die Menge der Schaulustigen hinaus in die Sonne, einfach so.
    Reporter schwirren um mich herum wie Fliegen um ein dampfendes Stück Scheiße. Ich stecke voller Gefühle, doch sie sind anders als in meinen Träumen. Anstatt von wirklicher Freude werde ich von Wellen überschwemmt - solchen Wellen, die einen dazu bringen, daß man sich auf den Geruch von Waschküche an einem regnerischen Samstag freut; triefende Hormone, die einen so weich machen, bis man endlich »Ich liebe dich« sagt. Geborgenheit, so nennen sie das. Ist 'ne verdammt hinterhältige Sache - paßt bloß auf. Diese Wellen kaufen dir nach und nach deinen verfluchten Schneid ab. Ob ihr's glaubt oder nicht - eine von ihnen erfüllt mich sogar mit

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