Jesus von Texas
Dankbarkeit für Richterin Gurie. Ich meine, sie war fair zu mir, aber trotzdem - auf die Darmsache konzentrieren? Ich glaub kaum. »Wie finden wir deine Kacke?« würden sie mich fragen. »Also«, würde ich sagen, »mein Haufen liegt dort drüben, in der Bude hinter den Sträuchern - genau da, direkt neben der verfluchten Knarre, nach der ihr alle sucht.« Ehrlich gesagt, die Knarre ist nicht das Problem. Die Fingerdrücke auf der beschissenen Knarre, die sind mein Problem. Der Gedanke trägt neue Wellen heran. Ich beschließe, sie zu ignorieren, zu meiner eigenen Sicherheit. Man kann sich einfach keine Wellen leisten, wenn man bei Tagesanbruch in Mexiko sein muß.
Der Mercury wartet mit zwei offenen Türen und streut Ameisen über der Gurie Street aus. Mrs. Binney, die Floristin, muß mit ihrem nagelneuen Cadillac weit ausholen, um vorbeizukommen. Mrs. Binney winkt heute nicht rüber. Sie tut so, als ob sie mich nicht sieht. Dafür schaut sie zu Abdini, der auf den Stufen ein paar Reporter auf sich zieht, und schwebt mit einer frischen Ladung Achtungsbekundungen für Lechugas Veranda an uns vorbei.
»Wir sind froh und glücklich, wieder nach Hause zu können, zurück zu unzahm jung Lehm«, sagt Abdini, als wäre er ich oder mein verdammter Bruder oder keine Ahnung wer. »Außerdem wer'n wir Ermittlung fortführen, raus kriegen waspassitis an furchtbahm Tag ...«
Ein paar Erkenntnisse hat mir die Sache eingebracht, das muß ich schon sagen. So, wie sich alle aufführen, wirkt eine Verhandlung wie ein Zusammenschnitt von TVTrailern: eine Prise von diesem Film, ein Häppchen von jener Serie. Der Film, in dem der Junge Krebs kriegt und alle mit unsicherer Stimme sprechen, ist dabei, außerdem der, wo der Nachwuchsbulle sich entscheiden muß, ob er Bestechungsgeld kassiert oder seinen mürrischen Partner auffliegen läßt. Ich persönlich würde den eher nicht empfehlen; am Ende stellt sich nämlich raus, daß alle, sogar der Bürgermeister und so, die Hand aufhalten. Und fragt mich bloß nicht, in welcher Serie ich hängengeblieben bin. »Amerikas beknackteste Arschlöcher« oder so. »Akte Darm«.
Der Mercury jault unter Pams Sandalen auf. Das liegt daran, daß sie beide Pedale zugleich benutzt. »Wozu hab ich denn ein Bremspedal, wenn der Fuß 'ne Meile entfernt am andern Ende des Autos steht?« Das ist es, was man zu hören kriegt, wenn man das Thema anspricht. Hab ich nur einmal gewagt. »Da kann ich das verdammte Ding genausogut aus dem Fenster schmeißen.« Kameraleute beziehen Stellung, als wir in den Verkehr der Gurie Street hineinstoßen. Ich sehe die Fernsehbilder schon vor mir, meinen blöden Schafskopf, wie er sich im Mercury nach hinten umschaut.
»Sag mal, was gab's denn eigentlich zu essen?« fragt Pam.
»Nichts Besonderes.«
»Aber was denn so? Bohnen mit Speck oder was? Hast du Nachtisch bekommen?«
»Nicht so richtig.«
»Herr im Himmel.«
Sie reißt das Steuer rum und nimmt die Einfahrt zum Barn Drive-in. Das Gute an Pams Fernsehfilm ist: Man weiß, wie er ausgeht. Das ist das Leben, das ich haben will und das uns versprochen wurde. Ein körniger alter Film mit ein paar Höschenmomenten und einem Happy-End. Einer von der Sorte, wo der Baseball-Coach mit dem Jungen zelten fährt und ihm Selbstachtung beibringt; ihr wißt schon, welchen Film ich meine - im Hintergrund spielt ein elektrisches Klavier, dessen Töne so sanft landen wie Blütenblätter auf Frotteehandtüchern. Man hört das Klavier und weiß, da fallen sich grad zwei in die Arme, oder die Lippen einer Frau verzerren sich vor überwältigender Freude, draußen am See. Mann - was für ein Leben ich haben könnte mit der richtigen Hintergrundmusik! Statt dessen blicke ich durch das Autofenster auf die Kulisse des Liberty Drive, und dazu läuft Galveston. Wir kommen an der Stelle vorbei, wo der Max Lechuga seinen letzten Atemzug eingesogen hat. Er sagte noch ein paar Worte, aber man konnte nichts verstehen. Ich spüre, wie sich meine Augen füllen, und lenke mich ab.
»Ist Ma zu Hause?« frage ich.
»Hmm - sie wartet darauf, daß der Kühlschrank geliefert wird.«
»Nicht im Ernst.«
»Muntere sie ein bißchen auf, sie macht 'ne Menge durch. Ist ja nichts dabei zu warten.«
»Wird sie verdammt lange warten müssen.«
Pam seufzt nur. »Ein paar Tage noch, dann wirst du sechzehn. Nichts wird uns deinen Geburtstag verderben.«
Ich laß mich in das vertraute, flauschige Geplätscher sinken - Familie, mit all ihren Duftnoten. Gute
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