Jesus von Texas
Lächeln auf den Dingern ist richtig rum - komm schon, Vern, halt dich ran - es gibt noch mehr Kuchen auf der Welt.«
»Danke für den blöden Tip«, will ich sagen, aber ich tu's nicht. Obwohl, so wie mich Lally mit seinen Blicken durchbohrt, könnte man denken, ich hab's doch gesagt. Dann schlendert er einfach weiter.
»Schicker Umhang«, schnaubt er über seine Schulter.
Mom bleibt zurück. »Geh schon mal vor, Lalito. Wir sehen uns dann am Grill.« Ihr Blick überfliegt die Menge, dann macht sie sich heimlich wie ein Spion an mich ran. »Vernon, ist alles okay?« Das ist sie, meine alte Mom. Gegen meinen Willen wird mir warm ums Herz.
»Ich glaub schon«, sage ich. Das sagt man hier bei uns, wenn man »nein« meint.
Sie zupft an meinem Kragen herum. »Na ja, das hoffe ich - ich will doch nur, daß du glücklich bist.« Das sagt man bei uns, wenn man »Dumm gelaufen!« meint. »Wenn du dir doch nur einen Job besorgen würdest«, sagt sie, »ein bißchen Geld verdienen - alles würde sich wieder einrenken, das weiß ich.« Sie drückt meine Hand.
»Mom, mit Eulalio im Haus? Ganz ehrlich ...«
»Ach weißt du, gönn mir doch einfach mein winziges bißchen Glück, nach allem, was passiert ist ... Du hast doch immer gesagt, ich soll unabhängiger sein. Jetzt ist es soweit - ich mache meine weibliche Individualität geltend.«
»Nach allem, was er mir angetan hat?«
»Nach allem, was er dir angetan hat? Was ist denn mit den Sachen, die du mir angetan hast? Das mit Lally ist was Besonderes, das spüre ich. Eine Frau spürt so was. Er hat mir gleich von dieser unglaublichen Investmentgeselschaft erzählt - neunzig Prozent Gewinn, so gut wie garantiert. Das ist das Angebot, und er hat mir davon erzählt, nicht Leona oder sonstwem.«
»Na klar, weil wir ja so viel Geld zum Investieren haben.«
»Na ja, ich könnte noch einen Kredit aufnehmen, ich meine - neunzig Prozent!«
»Und du glaubst diesem schmierigen Schwätzer?«
»O Schatz - du bist eifersüchtig, das ist es.« Sie leckt ihre Finger und rubbelt eine Speichelspur über einen imaginären Schmutzfleck auf meiner Wange. »Ich liebe dich doch am allermeisten, Herrgott noch mal, ich meine ...«
»Ich weiß, Ma - selbst Mörder.«
»Hi Gloria, hi Cletus!« Sie läßt mich mit einem Kuß stehen und stolziert nach Osten davon, vorbei an der Reihe der Stände. Hinter ihr baumelt meine Seele im Staub. Keine Ahnung, wie die verdammten Naturgesetze solche Phänomene erklären. Ich meine, man sieht zwar Rentiere und Polarbären im Fernsehen, aber irgendwie weiß man, daß ihre Familien sie nicht abwechselnd wütend und traurig machen.
Einen Augenblick später hört mein verdammtes Herz ohnehin auf zu schlagen. Bleibt einfach mal eben abrupt stehen, das verfluchte Ding, und ich fall tot um, auf der Stelle. Keine drei Meter entfernt geht Mrs. Figueroa vorbei - Taylors Mom. Gott, sie ist auch so schön. Ihr Hosenbund wirft einen Schatten auf ihre Haut, das bedeutet, dazwischen ist noch Luft. Und ihre Jeans werden allein vom Aufwärtsschub ihres Hinterns gehalten. Zum Vergleich: Meine alte Dame braucht dafür fast einen Armeegurt. Ich will irgendwas Cooles sagen, um sie für mich einzunehmen und damit sie mir Taylors Nummer gibt, aber mein Mund bebt bloß wie bei einem Vollidioten. Dann bemerke ich, daß mir ein Talar am Körper hängt. Und als ich wieder aufblicke, versperrt mir der Fleischwerksfriseur die Sicht. Er ist angezogen wie bei einer verdammten Beerdigung und schlendert durch die Menge zum Bierstand.
Auf dem Weg dahin rammt er meinen Tisch: »Tschuldigung, Miss.«
Mrs. Figueroa lacht und gibt mir damit den Rest. Dann ist sie verschwunden. Der Friseur sieht einen anderen alten Typen am Bierstand; ihre Blicke treffen sich. »Bin grad dabei, einen Suchtrupp zu organisieren«, ruft er, »um den Guries zu helfen, diese Waffe zu finden. Wenn du dabei bist, Cleet, wir machen uns so in 'ner Stunde auf den Weg.«
»Wo geht's los?«
»Fleischwerke. Und bring die Kinder mit, hinterher gibt's ein Barbecue. Wer'n uns mal die Gegend bei Keeter's vornehm - hab gehört, Nuckles, der Lehrer, hat was von 'ner Waffe dort draußen gesagt, bevor er zusammengeklappt is.«
Jetzt wird's ernst. Ich muß zu Keeter's. Mein Blick sucht den Marktplatz nach einem Durchschlupf ab, aber alles, was sich sehe, sind Straßensperren in der Person von Lally, Mom oder dem verfluchten Pfarrer. Und dann sehe ich sie überall - mit Betty Pritchard, ohne Betty Pritchard. An Leonas
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