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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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Sektstand, weit weg von Leonas Sektstand. Eine Stunde Schüttelfrost in der sengenden Hitze, dann noch eine. Jeder Zentimeter, den die Schatten wachsen, bringt mich meinem verdammten Grab einen Schritt näher. Georgette Porkorney trifft ein und wird von Betty Pritchard in Empfang genommen. Sie kommen an meinem Stand vorbei.
    »Siehst du, wie passiv er ist?« flüstert George. »Ganz klar, daß er sich Ärger einhandelt, wenn er so passiv bleibt ...«
    »Genau! Wie dieser, ähm - mexikanische Junge ...«
    Eine Sekunde verstreicht, dann bleibt George ruckartig stehen. »Schätzchen, ich glaub nicht, daß passiv das richtige Wort ist, in Anbetracht der Tatsachen.«
    »Ja, genau ... «
    Wenigstens Pam bringt etwas Trost; sie wuschelt mir die Haare und steckt mir einen Twinkie-Keks zu. Dann, um zwei, geht der Pfarrer endlich in das Tombolazelt, begleitet von Mr. Lechuga.
    »Gott segne Sie alle für die Unterstützung unseres Marktes«, plärrt ein Lautsprecher. Menschentrauben drängen zum Zelteingang. Mom, Lally, George und Betty lungern auf der anderen Seite der Wiese bei Leonas Sektstand rum. Leona selbst ist nicht zu sehen, aber sie muß da auch irgendwo sein, sonst würde Mom beim Lachen ihren Kopf nicht so nach hinten werfen.
    »Und nun«, sagt Gibbons, »der Augenblick, auf den Sie alle gewartet haben - die Ziehung des Hauptgewinners!« Alle wenden sich dem Zelt zu. Mein Durchschlupf öffnet sich.
    »Hey Dude!« rufe ich einem Jungen zu, der gerade vorbeiläuft, so einer, der seine Lippen nicht zukriegt über der Zahnspange. Sieht aus, als ob er einen beschissenen Kühlergrill als Mund hat. »Willst du 'n Job für 'ne Stunde?«
    Der Typ bleibt stehen und mustert mich von oben bis unten. »Auf jeden Fall nicht in so 'nem völlig bescheuerten Kleid.«
    »Is kein Kleid, Mann. Egal, du mußt es nicht anziehen, du sollst nur 'ne Weile auf den Stand aufpassen.«
    »Was zahlst du?«
    »Nichts, du kriegst eine Umsatzbeteiligung.«
    »Pauschal oder gekoppelt?«
    »Gekoppelt woran?« Ich meine, der Kleine ist vielleicht zehn Jahre alt, verdammt noch mal.
    »Handelsvolumen«, sagt er und grinst.
    »Ich geb dir achtzehn Prozent pauschal.«
    »Spinnst du? Dieser bescheuerte Kuchen? Was soll das überhaupt sein, Joy Cakes? Hab noch nie so was gesehen.«
    Er dreht sich um und geht los.
    »Und hier ist das Gewinnerlos«, sagt Gibbons. »Grün siebenundvierzig.« Gedämpfte Aufregung dringt durch das Zelt. Der kleine Typ bleibt stehen und zieht ein zerknülltes pinkfarbenes Los aus der Tasche. Er betrachtet es, als ob er darauf hofft, daß es sich in ein grünes verwandelt. Dann kommt Moms Stimme.
    »Ach du - o mein Gott! Hier, Herr Pfarrer, grün siebenundvierzigl«
    Die Ladys und Lally umringen sie mit ihren »Heys« und »Wows« und ihrem Schnappen nach Luft und drängen sie ins Zelt. Mann, ist sie aufgekratzt. Meine alte Dame hat noch nie was gewonnen.
    »Dude!« rufe ich hinter der Metallfresse her.
    »Zwanzig Dollar auf die Hand, eine Stunde«, sagt er über seine Schulter.
    »Klar doch - bin ich Bill Gates oder was.«
    »Fünfundzwanzig, oder es läuft gar nichts.«
    »Und hier ist die glückliche Gewinnerin«, sagt der Pfarrer, »dieses robusten Kühlschranks, der jahrelang mit Liebe gepflegt und uns ungeachtet der eigenen Trauer großzügig zur Verfügung gestellt wurde von der Familie Lechuga, wohnhaft am Beulah Drive.«
    Nichts ist mehr zu hören von meiner alten Dame, wahrscheinlich auf ewig. Die einzige, die man hört, ist Leona.
    »O - wow!«
    »Dreißig Mäuse«, sagt der Kleine zu mir, »auf die Kralle, eine Stunde glatt. Letztes Angebot.«
    Ich baumele am langen Arm von diesem fetten Zwerg, der mit seiner Fresse Krebse fangen könnte. Oder besser gesagt, ich würde an seinem langen Arm baumeln, wenn ich vorhätte, zurückzukommen und zu bezahlen. Ich komme aber nicht zurück. Ich werd euch sagen, was ich mache: die Knarre abwischen, mein Fluchtkonto leeren, und dann nichts wie raus aus dieser Stadt. Ich mein's ernst.
    »Es ist jetzt zehn nach zwei«, sagt die Metallfresse. »Wir sehen uns in einer Stunde.«
    »Moment mal - auf meiner Uhr ist es viertel nach.«
    »Es ist verdammt noch mal zehn nach - friß oder stirb.«
    Scheißegal. Ich reiß mir den Talar vom Leib und stopf ihn in eine Kiste unterm Tisch, dann ducke ich mich und renne entlang der Bahnschienen auf den grünen Bereich des Liberty Drive zu. Hinter mir schallt unvermindert die Stimme des Predigers: »Wo wir gerade bei Kühlschränken sind - kennen Sie

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