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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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tatsächlich dieses kleine Geräusch wie von einem Becken - »tsch«. Das ist so 'n Spiel zwischen uns, Pam und mir. »Na los, Doris, oder willst du, daß ich Lolly anrufe und von deinem Herpes erzähle?«
    »Herrgott noch mal, Palmyra. Scheiße.«
    Ein Lachen wie Donnerschläge wallt durch Pams Fleischmassen. Meine alte Dame klammert sich an ihr Elend, sie krümmt und windet sich dort auf ihrer Bank. Dann wird sie wütend und stakst hastig zur Veranda. »Daß du immer so verdammt gut drauf sein mußt - manchmal ist es wichtig, den Schmerz zu spüren.«
    »Soll ich dich die Treppe runterschubsen? Hoa, hoa, hoa.«
    »Verdammt noch mal, Palmyra. Wir wollen dein blödes Essen sowieso nicht.«
    »Hoa, hoa, hoa. Du hättest Vaine beim Hayride sehen sollen, sie hat mehr Mais verdrückt als ein Waggon ausgehungerter Mexikaner.«
    »Aber bei der Atkins-Diät soll man doch Protein ...
    »Barry ist heute abend unterwegs.«
    »Ach?«
    »Ein paar von seinen Leuten sind ihm ein Bier schuldig. Er hat gestern bei Keeter's ein Gewehr gefunden.«
zwölf
    Vor Sonnenaufgang zu verschwinden, das ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Mom hat beschlossen, Granny zu besuchen, deshalb stinkt's im ganzen Haus nach Haarspray. Völlig klar, warum sie so zeitig aufbricht: Damit niemand sie zu Fuß durch die Stadt trippeln sieht. Man soll sie nur bei der Ankunft sehen, am Ziel ihrer Wünsche bestenfalls, wenn alles in Butter ist, und nicht, wie sie gehetzt trippelt. Das ist eine Erkenntnis, die ich gewonnen hab, seit das Auto weg ist.
    »Also, ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß es in der ganzen Stadt kein Paar Tumbledowns gibt, ich meine, ich werd mal bei Granny schauen müssen.« Sie macht schnaufende Geräusche und fährt mir mit den Fingerspitzen ruckartig durch die Haare. Dann tritt sie einen Schritt zurück und runzelt die Stirn. Das bedeutet »Auf Wiedersehen«. »Versprich mir, daß du zu deiner Therapie gehst.«
    Ein elekrisierter violetter Himmel schüttet Sterne hinter die Ölpumpe und ruft die letzten Motten der Nacht heim. Erinnert mich an den Morgen, als Mrs. Lechuga hier draußen war, total am Ende. Ich versuch, nicht daran zu denken. Statt dessen schaue ich voraus, auf den heutigen Tag. Ich werd zu Keeter's fahren, das ist eine gute Idee. Wenn mich jemand dort draußen sieht, wird er sagen: »Ich hab Vernon bei Keeter's gesehen«, und keiner wird wissen, was gemeint ist, die Autowerkstatt oder das Grundstück. Seht ihr? Vernon Grips Little. Im Gegenzug hab ich das Schicksal gebeten, mir bei der Klärung der Geldfrage behilflich zu sein. Mir ist nämlich klargeworden, daß Geld die einzige Lösung für die Probleme ist, die das Leben einem auftischt. Ich hab sogar ein paar Sachen zusammengekratzt, die ich in der Stadt versetzen könnte, wenn's darauf ankommt. Und es wird drauf ankommen, das weiß ich, deshalb hab ich sie bei mir: meine Klarinette, mein Skateboard und vierzehn CDs. Sie stecken im Rucksack, zusammen mit der Lunchbox, die mein Sandwich, die beiden Joints und ein Blatt Papier mit ein paar Internet-Adressen enthält.
    Was die Joints und das Blatt Papier angeht - ich hab letzte Nacht Jesus' Stimme gehört. Er hat mir empfohlen, mich zuzudröhnen, und zwar schnell. Wenn am Anfang alles schiefgeht, hat er gesagt, dann dröhn dich so richtig zu. Mein Plan ist es, draußen bei Keeter's zu sitzen und neue Ideen zu kriegen, aus dem Mut der Dröhnung heraus sozusagen.
    Ich fahre die silbrig überzogenen leeren Straßen entlang; über mir rascheln die Baumkronen und lassen kühle Anspielungen auf warme, in Bettwäsche gehüllte Höschen fallen. Liberty Drive liegt nackt da, bis auf heruntergefallenes Heu und Bar-B-Chew-Barn-Verpackungen. In diesem Licht sind die Flecken auf dem Gehweg bei der Schule nicht zu sehen. Klotzig und schwarz zieht die Turnhalle vorüber; ich schaue in eine andere Richtung und denke an andere Dinge.
    Musik ist 'ne echt verrückte Sache, wenn man sich das mal überlegt. Schon interessant, wie ich mich entschieden hab, welche CDs ich nicht versetzen will. Ich hätte zum Beispiel ein bißchen Partymusik behalten können, aber dieses ganze flache Tss-tss-tss-Zeug peitscht einen bloß auf, so lange, bis man überzeugt ist, auf der Gewinnerseite des Lebens zu stehen. Bis der Song vorbei ist - dann fällt einem wieder ein, daß man ein verdammter Verlierer ist. Das ist auch der Grund, warum man diese Lieder später immer und immer wieder abspielt, falls es jemand noch nicht wußte. Buttercreme, Mann.

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