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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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und er ist unsere persönliche Bar.
    Um halb acht an diesem Montagmorgen sitze ich bei Keeter's auf einer schmutzigen Lichtung hinter ein paar Sträuchern; ich schlürfe Bier und warte auf Ideen zum Thema Bargeld. Von hier aus sieht man, wie die Sonne orangefarbenes Licht auf die Ränder der verlassenen Klobecken pinkelt. Ich hab mein Bier, ich hab meine Joints, und in meinem Hirn pumpt Country-Musik - ich bin versorgt, jetzt kann ich heulen wie ein Coonhound. Das alles dient mir dazu, meine Position im Leben zu bestimmen. Hier bin ich, dort unten ist Mexiko, in der Mitte Taylor Figueroa. Jetzt muß ich nur noch den Rest austüfteln. »Was ist der springende Punkt?« wie Mr. Nuckles immer gefragt hat, damals, als seine verfluchte Fresse noch funktionierte. Ehrlich gesagt, was wirklich Neues fällt mir nicht ein, abgesehen von einem ganzen Schwärm neuer Lügen zu meinem sogenannten Job. Ich werd euch mal was verraten über eine Lügenwelt wie diese: Wenn du erst mal so tief drinsteckst, daß du einen imaginären Job erfunden hast, mit einem imaginären Arbeitsbeginn und einem imaginären Gehalt, und mit deinen Leuten schon die Sandwich-Nummer durchgeackert und »O Gott, vielleicht sollte ich Hildegard Lasseen anrufen« zu hören bekommen hast und so weiter - wenn du schon so weit bist, spielt es keine Rolle mehr, ob du die Lüge gestehst oder verdammt noch mal dabei erwischt wirst. Die Leute werden sagen: »Aber er klang doch so glaubwürdig!« Dann geht ihnen auf, daß du eine komplette Parallelwelt vor ihnen ausgebreitet hast, voll von imaginärer Scheiße. Ist 'ne miese Sache, ich weiß, und ich kann's ihnen nicht verdenken, daß sie sauer sind. Aber trotzdem -
    plötzlich ist es, als ob man ein schwerer pathologischer Fall ist, dabei sind das dieselben Leute, die sich einen Moment später umdrehen und so was sagen wie: »Tut mir leid, Gloria, ich schaff 's einfach nicht - meine Verwandten sind gerade aus Denver gekommen.«
    Im Ernst, ich hab schon so viel Schleim angesammelt, da bringt es jetzt gar nichts, reinen Tisch zu machen. Und wollt ihr noch was wissen? Je tiefer man drinsteckt im Schleim, desto schwerer ist es, ihn zuzugeben, so will es das Schicksal. Ich möcht bloß mal wissen, was das für ein System sein soll. Wenn ich Vorsitzender der Schleimjury wäre, würde ich es einfacher machen, mit der Scheiße rauszurücken. Das ist es doch schließlich, was alle von einem erwarten, oder? Dann sollte das verdammt noch mal erleichtert werden, so seh ich das. Ich nehm an, was mir wirklich das Blut gefrieren läßt, ist, daß ich allen soeben den letzten Nagel für mein Kreuz überreicht hab. Alles andere war schon da - das einzige, was noch fehlte, war eine glaubwürdige Lüge. Man kann sich direkt vorstellen, wie sie es meiner alten Dame vor laufender Kamera eröffnen. »Und dabei bin ich extra noch aufgeblieben, um ihm seine Sandwiches einzupacken ... «
    Ich fische ein Feuerzeug aus meiner Tasche und zünde mir einen Joint an. Scheiß drauf, ich geh nicht zu Goosens heute. Meine alte Dame ist bei Granny sicher. Und ich werde einen Weg finden, der hier rausführt.
    »Bernie?« Es ist Ella Bouchard. Sie bleibt hinter einem Gebüsch am Rande meiner Lichtung stehen und bewegt ihre Lippen, aber was sie sagt, ist das Gegenteil von dem, was ich höre, nämlich Jambalaya, Crawfish Pie und Filet Gumbo.
    Was ich noch sagen wollte, nur für den Fall, daß jemand denkt, ich bin heimlich in Ella verliebt: Ich kenne sie schon, seit ich acht bin. Jeder Junge in der Stadt kennt Ella, seit er acht ist, und keiner von ihnen ist heimlich in sie verliebt. Ihre Ausstattung ist noch nicht eingetroffen. Und wenn man sich Ella so anschaut, kriegt man seine Zweifel, ob sie überhaupt jemals eintrifft. Sieht eher so aus, als wär sie an Dolly Parton geliefert worden oder so. Ella ist einfach nur dürre, mit ein paar Sommersprossen und dieser riesigen Mähne struppiger blonder Haare, die immer in der Gegend rumwehen wie bei einer Barbie-Puppe, auf der dein Hund einen Monat lang rumgekaut hat. Bisher ist noch niemand aus Ella Bouchard schlau geworden. Sie lebt bei ihren Leuten, ein Stück die Straße hoch von Keeter's Spares & Repairs. Das sind so Hillbilly-Typen, die beim Gehen ihre Arme nicht bewegen und die ganze Zeit geradeaus glotzen. Die Art von Leuten, die beim Reden alles achtzigmal wiederholen. »Genauso war's gewesen, ja genau, es war genau so, so und nicht anders, genau« - so in etwa. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum

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