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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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gezogen hat. Er stupst sie mit den Fingern an, und dann macht er sich zum Heulen bereit. Das ist der Moment, in dem er das Messer in seine eigenen winzigen Hände nimmt und es sich bis zum Anschlag in die frische Wunde stößt, damit sie nur bitte zurückkommt. Und - na klar: Sobald die erste Träne tropft, wacht sie auf.
    »Ha, ha, ha, ich bin noch da! Ha, ha, ha, hier ist deine Mommy!«
    Ha, ha, das ist der Lauf der Dinge.
    »Bchrrr« - der Autobus bohrt sich in das Violett der Abenddämmerung hinein, ein zähnefletschendes Geschoß voller offener Wunden und mit Vernon an Bord. Na klar bin ich angepißt, das weiß ich selbst. Erzählt mir ruhig, daß ich einfach nur sauer darüber bin, wie alles läuft. Stimmt ja auch. Aber ich kann mir nicht helfen, da ist eben diese uralte, weise Stimme in meinem Kopf, die sagt: »Das ist keine Art für einen jungen Mann, seine Lehrjahre zu verbringen.«
    Taylor wird mittlerweile ihren Einkaufsbummel beendet haben; wahrscheinlich sitzt sie längst mit hochgeschobenem Rock bei diesem Ficker im Stingray. Und um mir den Rest zu geben, macht meine Phantasie jetzt aus ihrem fraulichen Höschen eine dieser knappen, gewagten Kreationen, hauteng und stramm und mit einer winzigen Schleife am Gummibündchen. Ritsch, ratsch, schlitzt es mich auf, dieses Höschen. Auf ihrem Hügel glänzt ein feuchter Fleck von der Größe eines Vierteldollars, und wenn man in jede Hand eine ihrer samtweichen Pobacken nimmt, sie vom Sitz abhebt und mit dem Gesicht ganz nahe heranschnüffelt, kriegt man allerhöchstem einen klitzekleinen Stich Tamarindenaroma ab, wie von einer winzigen Reißzwecke - nur ein minimales Pieksen, nicht mehr. So quietschsauber ist sie, selbst an einem heißen, schweißtriefenden Tag wie heute. Quietschsauber wie eine Barbie-Puppe. O Taylor, o du verdammte Tay.
    Das unerwartete bei der Ankunft in McAllen ist die Stille. Der Fahrer stellt den Motor ab, die Tür macht »pschsss«, und die Welt ist eingeparkt. Es ist kurz vor elf; Jacken rascheln durch die plötzliche Lautlosigkeit. Ich erhebe mich von meinem Sitz, und es ist wie das Erwachen aus einem Fiebertraum, besonders nach all den vergifteten Gedanken. Dann trotte ich hinter anderen entblößten Reisenden durch den Gang nach vorne; an der Tür schlägt mir rauchiger Atem entgegen, vielleicht ist das der Dunst der Freiheit. Bis zur Grenze sind es nur noch knapp zehn Meilen.
    Ich koste das Knirschen meiner New Jacks auf dem glatten Beton aus; ein Gefühl durchströmt mich, daß ich wenigstens am Leben bin, daß ich meine Arme und Beine beisammen hab, und diese Träume, die mich verdammt noch mal umbringen. Und einundzwanzig Dollar und dreißig Cent. Die fast leere Busstation strahlt ein Versprechen von Behaglichkeit aus, also schlurfe ich rüber, um mir einen Kaffee und vielleicht ein Sandwich zu besorgen - irgendwas, das meine Magenzellen davon abhält, sich um andere Jobs im Körper zu bewerben. Ein mexikanischer Junge wischt am Eingang den Boden; neben ein paar Kartons, die mit Schnüren umwickelt sind, sitzen zwei ältere Damen und dösen. Aus aufgerissenen Sitzpolstern quellen Flohpuder und Furze. Dann fällt mein Blick auf einen Fernseher weiter hinten. Mein Kopf sagt: »Nicht hingehen!« Was mach ich? Ich gehe hin, verdammt.
    »Neuer Schock für die Bürger von Martirio, Central Texas«, steht auf dem Bildschirm. Rote und blaue Lichter spiegeln sich im Film einer regennassen Straße. Irgendwo in den Außenbezirken der Stadt stolpert Vaine Gurie zu einer Auffahrt hoch. Sie hat einen Trainingsanzug an und beschirmt ihr Gesicht vor den Lichtern der Kameras. Eine andere korpulente Frau hilft ihr durch eine Fliegengittertür hindurch und wendet sich dann den Kameras zu.
    »Wir alle hier sind total am Ende. Ich bitte Sie - beten Sie für unsere Gemeinde in dieser schwierigen Zeit.«
    Schnitt. Es ist Tag. Träge flattern Absperrbänder über die Johnson Road, ziemlich genau an der Stelle, wo vergangene Nacht meine Reise begann. Lally kommt ins Bild und geht auf die Kamera zu. Sein Arm steckt in einer Schlinge. »Ich habe es allein meinem Glück zu verdanken, daß ich vom Schauplatz der Tat entkommen konnte - mit einem gebrochenen Schlüsselbein sowie schweren Schnittwunden und Prellungen. Dennoch danke ich dem Schicksal, daß ich zur Stelle war, um ein Verbrechen zu bezeugen, das jede Ungewißheit über die Ursache der jüngsten Ereignisse in Martirio ausräumt.« Im Hintergrund schleppen Staatspolizisten eine in Plastikplanen

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