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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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gewickelte Leiche zu einem wartenden Transporter; in seinem Schatten steht der drahtige Mann vom Leichenschauhaus. »Barry Enoch Gurie hatte nicht so viel Glück. Er starb in gerade mal einhundert Metern Entfernung vom Übungsgelände der neugebildeten Elite-Einheit Martirios - eines SWAT-Teams, dem er in wenigen Stunden angehören sollte. Doch bevor es dazu kommen konnte, wurde er mit seiner eigenen Waffe brutal niedergeschossen.«
    Dann wird ein Foto eingeblendet: Barry als junger Kadett mit leuchtenden Augen, die blind vor Hoffnung in eine Zukunft blicken, die irgendwo hinter der Kamera liegt. Dann erscheint wieder Lally und schaut noch finsterer drein als eben. »Ich mußte mit ansehen, wie die Schüsse abrupt das Leben eines Mannes beendeten, der den Autismus seiner Kindheit überwand und zu einem leuchtenden Stern des Strafvollzugs wurde, zu einem Beamten, der von Kollegen und Bürgern der Stadt gleichermaßen als ein wahrer Menschenfreund beschrieben wird. Nun, da die Bundespolizei diesen leidgeprüften Distrikt heimsucht, richtet sich das Augenmerk auf die Frage nach dem Verbleib des nachweislichen Mörders Vernon Gregory Little ...«
    Mein Schulfoto wird eingeblendet, gefolgt von Aufnahmen, die zeigen, wie ich mit Pam das Gerichtsgebäude verlasse. Dann erscheint ein Mann mit dicken Brillengläsern, Overall und Gummihandschuhen, den ich nicht kenne. »Die Bedingungen für die Spurensicherung sind nahezu perfekt«, sagt er. »Wir haben bereits den Abdruck eines Sportschuhs identifiziert - ein ungewöhnliches Modell für diese Gegend. Außerdem gibt es deutliche Hinweise darauf, daß um die Leiche herum Spuren verwischt wurden.«
    Dann kommt Lally wieder ins Bild. »Die zuständigen Behörden werden bis tief in die Nacht die Sicherung der Staatsgrenzen und Highways vorantreiben. Es wird dringend davor gewarnt, sich dem Verdächtigen zu nähern - er könnte bewaffnet sein.«
    Ich laß einen Pokerblick durch die Busstation schnellen. Vor den Toiletten wischt der Hausmeister halbherzig den Boden. An einem Schalter sitzt ein Fahrkartenverkäufer und tippt lustlos auf seiner Tastatur herum. Gemessenen Schrittes gehe ich zwischen den beiden auf den Ausgang zu; draußen nehme ich die Dunkelheit ins Visier und renne, nein fliege zum Highway zurück.
    Ich überquere die Fahrbahn an der finstersten Stelle und rase neben ihr her, verborgen von der Nacht. Laut hallen meine Schritte, doch alles, was von mir zu sehen ist, sind zwei transparente Adern mit einem Pulsschlag aus Schleim und Blitzen. Vor mir weist ein Straßenschild den Weg nach Mexiko; träge zuckelt der Autoverkehr daran vorbei. Ich hab keine Ahnung, wie weit ich laufen muß, ich renne einfach, bis ich tot bin, und dann hinke ich so lange, bis ich wieder rennen kann. Als die Funken unter meinen Füßen verglühen, ist es nach Mitternacht. Schlurfend ersticke ich das Keuchen in meiner Kehle. Hinter mir türmen sich lauernd Wellen auf, deren Kämme nicht aus Schaum, sondern aus Fliegen bestehen, Tausenden von Fliegen, die auf mich einstürzen, die ich töten muß - ein widerlicher Schwärm düsterer Gedanken. Mittendrin sehe ich Jesus, er winkt mir zu, doch die Wogen verschlingen ihn, ziehen ihn hinab, und die Fliegen, an denen er würgt, vereinigen sich mit der Nacht, um ihm seine Farben zu rauben und ihn auszulöschen. Ich verharre auf der Stelle wie ein Stein, der nie in Bewegung war. Surrend hängt mein Kopf vornüber in der Dunkelheit; als ich ihn wieder hebe, ungefähr ein Jahrhundert später, sehe ich vor mir einen Lichtschein. Ich stolpere darauf zu, und der Schein wird zu einem grellen Strahlen, zu einer Fernlicht-Ausschweifung mitten im Niemandsland.
    »International Bridge - Puente Internacional«, steht auf einem Schild. »Mexiko«.
    Aus der Entfernung sieht die Grenze aus, als ob Steven Spielberg sie gebaut hat - ein Raumschiff aus arktischem Licht, das in der Dunkelheit gelandet ist. Ich ziehe meine Jacke über, obwohl es kein bißchen kalt ist, und klatsche notdürftig meine Haare nach hinten. Dann durchquere ich mit langen Schritten die letzten paar hundert Meter Heimat.
    Auf der anderen Seite der Brücke bohrt sich eine Schlange aus LKWs ins Dunkel hinein, in der Mitte rollen Autos vorbei, gerammelt voll mit Menschen. Selbst um die Zeit sind noch Massen von Fußgängern unterwegs, trotzdem sind keine Absperrungen zu sehen, nur normale Kontrollpunkte. Ich betrete die Brücke in dem Wissen, daß ich einen Fuß auf den Ausläufer meines Traumes

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