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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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ich, daß sie gar nicht so computergeneriert aussieht - ein paar Zähne sind nicht ganz gerade, und unter ihrem Make-up kann man einen frischen Pickel erkennen. Meine Haut saugt sich an meinen Knochen fest wie eine Vakuumverpackung. Sie ist so verdammt echt, so greifbar.
    »Also - bist du nun schuldig oder nicht?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Worum geht's denn eigentlich - also, ich meine, geht's um Raub oder so?«
    »Mord.«
    »Ssss.« Sie saugt kalte Luft durch ihre Zähne, und ihr Gesicht verzieht sich, als wäre sie gerade in Kotze getreten. »Meinst du nicht, es wäre besser, dazubleiben und die Sache irgendwie, also, auszusitzen oder so?«
    »Nee, so, wie die Dinge stehen, muß ich 'ne Weile verschwinden.«
    Ihre Augenbrauen knautschen sich mitleidig zusammen. Während ich mich in ihrem Sirup auflöse, wird mir klar, daß ich das Gespräch von meinem Schleim wegsteuern und so langsam Nägel mit Köpfen machen muß. Ein bißchen Aufregung muß her, irgendwas, das sie in meinen Bann zieht. Vielleicht sollte ich ja Tequilas bestellen oder so. Oder sie auf den Mund küssen.
    Ich runzle die Stirn. »Tay, das kommt jetzt vielleicht etwas plötzlich, aber ich muß dich was extrem Wichtiges fragen.«
    Ihr Gesicht spannt sich an, wie Gesichter das so an sich haben, wenn ein Sortiment Scheiße im Anflug ist. Ganz falscher Ansatz, das wird mir sofort klar.
    »Brauchst du Geld?« fragt sie. »Also, ich meine, wenn du dir was borgen willst ... «
    Ein Kellner taucht auf. »Was darf's denn sein?« Meine Augen brauchen einen Moment, um sich von Taylor zu lösen.
    »Für mich einen Guaven-Shake«, sagt sie.
    »Äh - für mich auch«, sage ich. Von wegen Tequilas. Verdammte Scheiße. Als der Kellner weg ist, probier ich was anderes aus. »Verdammt, Tay, ich hab echt nur mich im Kopf - ich hätte ja wenigstens mal fragen können, wie's dir eigentlich geht ...«
    Sie greift nach meinen Händen und schüttelt sie. »Also, du bist doch wirklich unglaublich, ich meine, Gott. Ich bin halt hier und mach mein Ding zu Ende, und dann hab ich's schon mal beim Fernsehen probiert, aber bis jetzt hat's noch nicht geklappt. Was ich eben so mache, ich meine, verstehst du?«
    Ich lächle und sauge die Wärme des Augenblicks auf, um daraus den Beginn einer Liebesgeschichte zu stricken. Dann streicht sie ihre Haare nach hinten und senkt den Blick.
    »Und ich bin mit diesem Arzt zusammen, ist das nicht irre? Ich meine, klar, er ist älter und so, aber ich bin irgendwie soooo verliebt - wegen ihm bin ich heute auch hier, er und der neue Typ von meiner Cousine sind einfach solche Höschennarren.«
    Auf einmal dringen ihre Worte durch einen langen Tunnel zu mir, als Echo von weither - ihr kennt das Gefühl. Dann huscht Moms Stimme über meine Zunge.
    »Hey — wow.«
    »Gott, ich kann's nicht fassen, daß ich dir davon erzähle! Jedenfalls, er fährt eine Corvette, irgendwie so einen Original-Stingray oder so, und im November, zu meinem Geburtstag, machen wir die Colorado-Tour ...«
    »Hey, wow.«
    Das Schicksal. Eben noch lag es weich und zart auf der Haut, jetzt zwingt es mich in die Knie und läßt mich verrecken, während ich um jeden Pixel ihrer Existenz flehe. Jedes Zucken ihres ahnungslosen Lächelns, jeder noch so kleine Hinweis darauf, wie weit mein Traum von ihren Gedanken entfernt ist, tötet mich aufs neue, dabei weiß ich, daß das gerade mal der Keim einer Infektion ist, die mich auf tausend qualvolle Arten kaltmachen wird.
    Dann springt Taylor von ihrem Hocker und winkt quer über die Passage. »Hey, da ist sie ja endlich. Leona! Loni! Hier sind wir!«
    Ach du Scheiße. Leona, Leona Dunt von zu Hause - das ist ihre Cousine. Womöglich ist Lally bei ihr. Fuck. Ich schieße von meinem Hocker runter und schnappe mir den Rucksack. Leona posiert vor dem Unterwäschegeschäft; bis jetzt hat sie noch nicht rübergeschaut. »Was ist denn?« fragt mich Taylor.
    »Ich muß sofort los.«
    »Aber - was wolltest du mich denn fragen?«
    »Bitte, bitte, bitte - sprich nicht mit Leona darüber.«
    »Du kennst sie?«
    »Ja. Bitte.« Meine Nikes katapultieren mich in das Gedränge der Passage hinein.
    »Vern!« ruft sie, als ich zwischen den Menschen verschwinde. Ich schaue mich um und präge mir ihren Anblick ein, für immer. Ihre Lippen sind geöffnet, ihre Augenbrauen zusammengezogen. Wie ein verlassenes Kätzchen steht sie da. »Sei vorsichtig« - sie formt die Worte mit dem Mund. »Ruf an.«
    Stellt euch einen Greyhound-Bus mit Kurs auf McAllen

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