JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens
gibt viele komplizierte Probleme zu lösen, die durch den beschriebenen Erfindergeist der Menschen entstanden sind. Aber das spricht nicht gegen diesen Erfindergeist. Dadurch konnten bereits viele ausweglos erscheinende Situationen gemeistert werden. Der Seufzer »Ach hätten wir doch damals nicht...« ist verständlich, aber er bringt niemals weiter. Die Lösung liegt immer vor uns. Nie hinter uns.
Das Problem dieser auf den ersten Blick hübschen Geschichte ist, dass sie den größeren volkswirtschaftlichen Rahmen nicht berücksichtigt. Ganz ähnlich wie beim Zeitungsbericht über das Einzelschicksal des Barkeepers Theo. Denn wenn der Fischer tatsächlich viermal so viele Fische fängt und vermarktet, entlastet er dadurch drei andere Fischer, die sich nun anderen Aufgaben zuwenden können. Heute würden viele von uns spontan antworten: Dadurch werden drei Fischer-Arbeitsplätze vernichtet. Richtig, aber aus einer größeren Perspektive gesehen stehen diese drei ehemaligen Fischer nun für Aufgaben höherer Ordnung zur Verfügung. Sie können sich weiterbilden, Wissenschaftler oder Künstler werden, Polizisten oder Architekten.
Die rührselige Geschichte vom einfachen Fischer und dem kapitalistischen Touristen erzählt von einer Gesellschaft, in der jeder Fischer nur so viel fängt, wie er (und seine Familie) unmittelbar braucht, und dann in der Sonne sitzt. So eine Gesellschaft ist vielleicht beschaulich, wird es aber nie zu größerem Wohlstand bringen. Sie wird keine Mittel für ein Gesundheitssystem aufbringen, für bequeme Wasser- und Energieversorgung, für Bildung und Katastrophenschutz, für Kunst und Spiritualität - und all den Luxus, von dem bisher in diesem Buch die Rede war.
Nein. Unsere Gesellschaft ist nicht so wie der einfache Fischer, sondern viel eher so wie der Verwalter im Gleichnis Jesu von den anvertrauten Talenten. Das Leben drängt nach vorne, es vergräbt sich nicht ins Zurück.
Warum der Wunsch nach Wohlstand wichtig ist
Arbeit schafft auf Dauer ein angenehmeres Leben für alle. Ich bin überzeugt: Der Schlüssel zum Wiedererkennen dieser schlichten volkswirtschaftlichen Grundweisheit liegt darin, die Begriffe Reichtum, Wohlstand und auch Luxus positiv zu füllen. Die Grundenergie jeder prosperierenden Gesellschaft besteht darin, dass ihre Mitglieder mit innerer Überzeugung sagen: Ja, ich will reich werden. Ich will, dass ich und meine Familie im Wohlstand leben. Ich will so leben, dass ich mir Luxus gönnen kann.
Die wirtschaftliche Energie einer Gesellschaft und auch jedes Einzelnen dreht sich zum Negativen um, sobald eine größere Zahl von Menschen sagt: Ich will, dass mein Nachbar nicht so reich ist. Ich will nicht, dass andere mehr Wohlstand haben als ich. Ich bin dafür auch bereit, auf Luxus zu verzichten. Nicht Neid, sondern Sehnsucht treibt uns an. Die Sehnsucht nach dem, was das nur Lebensnotwendige übersteigt.
Wir haben uns an die Wohlstandsgesellschaft gewöhnt. Eine Gesellschaft, in der es genug Reiche gibt, die etwas abgeben können, um den Armen zu helfen. Das wird in der aktuellen Debatte gern übersehen: dass bereits seit Jahrzehnten ein gewaltiger Transfer von oben nach unten stattfindet. Die reichsten 10 Prozent der Bundesbürger zahlen über die Hälfte der gesamten Einkommenssteuer. Ohne all die sogenannten Transferleistungen gäbe es in unserem Land doppelt so viele Menschen mit Armutsrisiko. »Deutschland gehört zu den Staaten, in denen die Ungleichheit der Einkommen am stärksten durch Steuern und Sozialleistungen reduziert wird.« So heißt es im Armutsbericht der Bundesregierung von 2008.
Die Grenzen des Wachstums
Jesus lebte in einer Zeit, in der die Weltbevölkerung und das Welt-Bruttoinlandsprodukt bereits wuchsen - allerdings extrem langsam. 0,01 Prozent, ein Zehntel Promille, betrug das weltweite Wirtschaftswachstum in den Jahren 0 bis 1000. Im darauffolgenden Jahrtausend wuchs es stetig auf über 0,2 Prozent. Erst ab 1820, mit dem Beginn der industriellen Revolution, verzehnfachte sich das Tempo auf 2 Prozent. Seit den 1990er-Jahren zog das Entwicklungstempo in China, Indien und anderen Riesenstaaten derart an, dass sich das weltweite Wirtschaftswachstum auf unglaubliche 4,9 Prozent im Jahr 2008 erhöhte.
Das klingt beunruhigend, doch in etwa gleichem Maß wuchs auch die Weltbevölkerung. Das wirtschaftliche Wachstum war ein notwendiges Wachstum. Es kostete und kostet Mensch und Natur einen hohen Preis. Aber es hat dem überwiegenden Teil der
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