Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings

Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings

Titel: Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
Vom Netzwerk:
könnten uns unendlich lange verspäten, zu Frustrationen führen.
Bedeutung
    Wie interpretieren verschiedene Beteiligte ein bestimmtes Tempo? Public-Relations-Firmen raten Unternehmen, schlechte Nachrichten schnell zu veröffentlichen. Andernfalls könnten Menschen vermuten, dass sie mit noch Schlimmerem hinter dem Berg halten. Im Frühjahr 2008 musste die amerikanische Investmentbank Bear Stearns bestimmte Positionen abwickeln oder verkaufen. Zu schnelles Vorgehen hätte das Vertrauen in die Bank erschüttert. Manche hätten befürchtet, dass es ihr an den nötigen Reserven fehlte, und das hätte die Krise, die durch schnelles Handeln verhindert werden sollte, nur beschleunigt. Diese Situation kommt so häufig vor, dass ich ihr einen Namen gegeben habe: ein temporeduzierendes Dilemma . Schnelles Handeln ist zwar notwendig, es erfolgt aber nicht, weil Schnelligkeit negativ ausgelegt würde. Da in Krisenzeiten nahezu immer temporeduzierende Dilemmas auftreten, sollte jede Risikobewertung sie in Betracht ziehen.
Menge
    In jeder komplexen Situation sind gleichzeitig mehrere Geschwindigkeiten im Spiel, und die Tempounterschiede können Probleme schaffen. Daher ist es wichtig, auf vielfältige Geschwindigkeiten zu achten und zu begreifen, welche Wechselwirkungen sie haben.
    Denken wir an den Ersten Weltkrieg: Der Konflikt erwuchs teilweise aus einem Versagen der Diplomatie. Damals konnten Diplomaten nicht mit den Möglichkeiten elektronischer Kommunikation Schritt halten. Die meisten Herren des diplomatischen Corps gehörten 1914 »der alten Schule an … Sie verließen sich noch darauf, dass das ›Wort eines Ehrenmannes‹ im persönlichen Gespräch die größte Wirkung erzielte«. 17 Aber das österreichische Ultimatum setzte eine Frist, die vor dem Zeitalter von Telegrafie und Telefon völlig unvorstellbar war, und verlangte eine so schnelle Antwort, dass sie in der eingeräumten Zeit ausgeschlossen war. 18 Hier trafen also unterschiedliche, unvereinbare Geschwindigkeiten aufeinander.
    Was vor hundert Jahren galt, trifft heute noch ebenso zu. Die Geschwindigkeit moderner Kommunikation erfordert häufig, dass wir schneller reagieren, als wir denken können. Der Niedergang reiner Internetbanken in der Frühzeit des Dotcom-Booms ist ein einschlägiges Beispiel. Die Zeitschrift Economist schrieb im Jahr 2000: »Kein Finanzberater, der auf sich hielt, reiste ohne Balkendiagramm, das belegte, dass die Marginalkosten für Internetbanking-Transaktionen nur einen winzigen Bruchteil der Kosten von Filialbanken ausmachten.« 19 Das Argument lautete, Direktbanken bräuchten weniger Beschäftigte und verursachten nur einen Bruchteil der Kosten ihrer Konkurrenten mit Filialnetz. Direktbanken müssten also ohne Zweifel gewinnen. Aber wir wissen, was geschah. Sie scheiterten. Der Grund war die Differenz zwischen zwei Geschwindigkeiten: Wie schnell wären Kunden bereit, dem Internet sensible Finanzdaten anzuvertrauen, und wie schnell würden die Kosten der Direktbanken steigen? Ersteres sollte lange dauern. Das Internet war und ist ein gefährlicher Ort, anfällig für Viren, Systemausfälle und Hacker. Aber während der Aufbau von Vertrauen ein langsamer Vorgang war, galt das für andere Prozesse nicht. Um Marktanteile zu gewinnen, mussten Direktbanken massiv Werbung betreiben und Kunden Zinssätze bieten, die sich auf Dauer nicht halten ließen. Folglich stiegen die Kosten schneller als die Umsätze.
    Die Präsenz vielfacher Geschwindigkeiten ist ein Problem, das Balkendiagramme häufig nicht erfassen, weil sie ebenso wie Tortendiagramme statisch sind. Wie lange wir sie auch anstarren – ihre Bestandteile bewegen sich doch nicht. Tortendiagramme sind wie Fast Food: Wir konsumieren sie in einem visuellen Bissen. In einer Welt, in der Geschwindigkeit und Zeit eine Rolle spielen, haben sie wohl wenig Nährwert.
    Selbst jenseits von Kommunikation und Technologie sind Tempodifferenzen verbreitet. Denken Sie zum Beispiel an Baseballschläger aus Aluminium. Sie haben viele Vorteile: Sie sind billiger als Holzschläger, brechen nicht und ermöglichen dem Schlagmann, den Ball weiter zu schlagen. Und wenn ein Schlagmann den Sweetspot (den idealen Punkt auf der Schlägerfläche) verpasst, versetzen sie seinen Händen keinen so schmerzhaften Rückstoß wie die alten Holzschläger. Alles spricht also anscheinend für Aluminiumschläger: interessantere Spiele, mehrHome Runs – was Fans gefällt – und geringere Kosten. Der Wechsel von Holz zu

Weitere Kostenlose Bücher