Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings
Spiele 2012 in London waren ein großer Erfolg. »Die Spiele hatten durchschnittlich über 30 Millionen Zuschauer pro Abend und insgesamt weit über 200 Millionen Zuschauer.« 12 Was hatte NBC also falsch gemacht? Ein Teil des Fehlers war sicherlich, dass NBC die Auswirkungen sämtlicher sich überschneidender Ereignisse und Umstände zur Zeit der Olympischen Spiele nicht erfasste, nämlich:
Wetter: Die Olympischen Spiele fanden nicht im Sommer, sondern im Herbst statt, um dem australischen Winter zu entgehen.
Der politische Kalender: Im Herbst fand in den USA eine Präsidentschaftswahl statt, die um die Aufmerksamkeit der Medien und Zuschauer konkurrierte.
Auf- und Abschwung des Patriotismus: Das Ende des Kalten Krieges Jahre zuvor beseitigte eine klare Rivalität und machte die Olympischen Spiele weniger symbolträchtig. Sie waren nun stärker ein Wettkampf zwischen Athleten und weniger ein Wettkampf zwischen Nationen und Ideologien (ein Beispiel für Termitentracks).
Technologie: Durch das aufkommende Internet, das Informationen in Echtzeit verfügbar machte, wurde die zeitverzögerte Übertragung der Ereignisse zu einer schwierigen Aufgabe.
Konkurrenz: Die Olympischen Spiele standen in Konkurrenz zur Baseball- und Footballsaison (einem Alternativtrack).
Mit der Polyphonielinse lässt sich besser erkennen, welche sich überschneidenden Bedingungen im Spiel sind und wie man darauf reagieren sollte. Hätte NBC die Probleme vorausgesehen, die durch so viele gleichzeitige Ereignisse entstehen – was durchaus möglich gewesen wäre –, dann hätte der Sender Möglichkeiten entwickeln können, von der Zeitverzögerung zu profitieren. Er hätte beispielsweise in Großaufnahme und Zeitlupe zeigen können, wie ein Athlet die Goldmedaille gewann. Oder er hätte während der Baseballspiele aktuelle »Olympia-Updates« einblenden können, um Zuschauer an die Spiele zu erinnern. Entscheidend ist, dass die Nutzung der Polyphonielinse im Voraus die Probleme offenbart hätte, auf die NBC stoßen würde.
Da sich immer viele Ereignisse und Bedingungen überschneiden, sind Synchronrisiken nahezu überall zu finden. Am 1. August 2007 stürzte eine Brücke über den Mississippi in Minneapolis ein. Es gab 14 Tote und 145 Verletzte. Ermittlungen ergaben, dass sich beim Hauptbrückenbogen mehr als die Hälfte der Last auf eine 35 Meter kurze Teilstrecke konzentrierte, die zu beiden Seiten der Einsturzstelle lag. Bei der Erneuerung der Fahrbahndecke hatte man feine und grobe Baustoffe für den Belag unmittelbar über der Stelle abgekippt, an der die Nationale Behörde fürVerkehrssicherheit später den Konstruktionsfehler entdeckte, der Stahl und Beton in den Mississippi stürzen ließ. 13
Schauen wir zurück, um zu verstehen, was passierte. Eine Brücke wird gebaut. Der Verkehr fließt während der Rushhour stärker, zu anderen Zeiten schwächer. Nach vielen Jahren muss die Brücke instandgesetzt werden. Um den Einsturz zu vermeiden, hätte man vorhersehen müssen, wie die Reparaturarbeiten und der zunehmende Berufsverkehr zusammenwirkten. Im Laufe der Jahre hatte der Verkehr zugenommen. Die Bevölkerung war gewachsen und mit ihr der Verkehr während der Stoßzeiten. (Diese langsamen Steigerungen sind Beispiele für Termitentracks.) In der Folge hatte sich die Gesamtlast der Brücke erhöht. Das führte zusammen mit dem Gewicht der Baustoffe und Baumaschinen zum Einsturz der Brücke.
Die anschließenden Ermittlungen stellten zudem einen Konstruktionsfehler bei einem Brückenteil fest: Es war zu schwach ausgelegt. Das war sicher ein wichtiger Faktor. Aber die Lehre ist klar: Um Synchronrisiken – Gefahren durch sich überschneidende Ereignisse – vorherzusehen, sollten Sie von Anfang an Bedingungen bedenken, die im weiteren Verlauf zusammentreffen könnten. Ein Grund, weshalb wir es nicht tun, ist ironischerweise das Phänomen, dass unser übliches Kausaldenken unsere Überlegungen weitgehend auf eine einzige Zeitschiene fokussiert. Wir konzentrieren uns darauf, was auf was folgt , statt auf das, was gleichzeitig vorgeht – aber eben dort sind Synchronrisiken zu finden. Ursache der Weltwirtschaftskrise war nicht der Börsencrash 1929, sondern »eine Reihe unzusammenhängender internationaler Finanzereignisse«, die gleichzeitig eintraten, wie der US-Notenbankchef Ben Bernanke anmerkte. 14
Für den Umgang mit Synchronrisiken bietet sich eine asynchrone Lösung an. So gehen Hedge-Fonds vor, wenn sie die Rücknahme der Anteile auf
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