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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Haskamp
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verfüttert habe. Gerade jetzt verspürte ich ein tiefes Bedürfnis, eben dies zu tun. »Ich verstehe einfach nicht, wie du so primitiv leben kannst!« Mit diesen Worten hatte sie vor fünf Minuten unsere Wohnung betreten und ihr Argusauge sofort auf ein Stück Tapete im Flur gerichtet, das die Katzen an diesem Tag erst zerfetzt hatten. »Also wirklich, Elisabeth, ich weiß natürlich, dass ihr euch finanziell einschränken müsst, aber wenn ihr schon in diesem schrecklichen Vorort und in einem Mehrfamilienhaus wohnt, könntest du doch wenigstens für Sauberkeit und Ordnung sorgen!« Überflüssig zu erwähnen, dass ich den ganzen Vormittag geputzt hatte, so als käme nicht meine Mutter, sondern das Gesundheitsamt zu Besuch. »Ich freu mich auch, dich zu sehen, Mama.« Wir gaben uns Luftküsschen. Dann kam der unvermeidliche Blick auf meine Figur. »Du scheinst dir meine Empfehlung zu Herzen genommen zu haben, Kind, du kommst mir schmaler vor!« – »Können wir dann?« Knut wartete im Zoo auf uns, und mein Vater war unten beim Auto geblieben. Er hatte immer ein bisschen Angst um seinen Benz, wenn er damit nach Hamburg kam und kein Parkhaus in der Nähe war.
    Ich schaffte es, meine Mutter aus der Wohnung zu bugsieren, ehe sie eine größere Inspektion vornehmen konnte. Taktisch klug hatte ich Herkules im Wohnzimmer eingesperrt, wo er frenetisch kläffte. »Ist das Hotel in Ordnung?«, fragte ich. Sie waren gleich neben Hagenbeck im Lindner abgestiegen, und dort würden wir abends auch essen. »Doch, das ist sehr nett.« Wir kamen beim Wagen an, und ich umarmte meinen Vater, der ein »Hallo, Lilli« herausbrachte, ehe er wieder in sein übliches Schweigen verfiel. Im Zusammenleben mit meiner Mutter hatten sich seine Stimmbänder so verkürzt, dass er selten mehr als Zweiwortsätze hervorbrachte. Jedenfalls nicht, wenn sie in der Nähe war.
    Manchmal wünschte ich mir, mein Vater hätte die Sparspülung nie erfunden. Dann hätten meine Eltern noch immer die kleine Wohnung, in der mein Bruder und ich unsere Kindheit verbracht hatten, statt der schicken Villa, die sie jetzt bewohnten. Und meine Mutter hätte sich gar nicht leisten können, der Snob zu werden, der sie heute war. Papa würde immer noch die Wasserleitungen anderer Leute reparieren, abends im Keller zufrieden an seinen Erfindungen tüfteln und öfter mal lachen.
    Für Mutter war der Zoobesuch in dem Moment beendet, als sie – ungefähr zehn Minuten nach unserer Ankunft – mit einem ihrer feinen hellen Pumps mitten in einen Haufen trat, den eine frei laufende Antilope hinterlassen hatte. »Unmöglich ist das, man sollte sich doch wohl darauf verlassen können, dass in einem Zoo die Tiere eingesperrt sind!« Im wahrsten Sinne des Wortes stinksauer verschwand sie in einer der Toiletten. Kaum wieder draußen, verkündete sie: »Ihr könnt ja gern noch bleiben, aber ich fahre jetzt in die Stadt!« Natürlich fuhr ich mit. Ganz die brave Tochter.
    Zwölf gefüllte Einkaufstüten später saßen wir in einem Café und waren dem gerade einsetzenden Nieselregen entkommen. Mutters Laune war proportional zur Zahl ihrer Schnäppchen gestiegen. Jetzt strahlte sie mich an und orderte Cognac. »Man muss sich auch mal was gönnen!« Ob es am Branntwein lag oder an ihrer guten Laune – ich fing an, mich zu entspannen. Nachher noch das Abendessen im Hotel, dachte ich, und dann ist es überstanden. »Habe ich dir schon erzählt, dass wir eine Nilkreuzfahrt machen?« Nein, das hatte sie nicht. Mich durchzuckte Eifersucht wie ein kurzer Wadenkrampf. Aber wirklich nur ganz kurz. Dann sagte ich mir, dass wir ja schließlich auch eine Kreuzfahrt machen könnten. Ich müsste lediglich Knut einer Gehirnwäsche unterziehen (erst neulich hatte er gesagt, eher ginge er ins Dschungelcamp als auf ein Kreuzfahrtschiff) und dann die Reise buchen. Beinahe hätte ich den Gedanken laut ausgesprochen.
    »Und, wann geht’s los?« – »Nächste Woche.« Sie lächelte selbstzufrieden vor sich hin. »Erst sind wir eine Woche auf dem Schiff, und dann machen wir noch eine Woche Badeurlaub am Roten Meer. In dem Hotel, in dem Julia letztes Jahr war.« Ich erinnerte mich dunkel an eine Postkarte, die ein schickes Hotel mit einer riesigen Pool-Landschaft und gleich dahinter einen Strand samt sehr blauem Wasser zeigte. Während Mutter weiter über die ihr bevorstehenden Wonnen redete, sah ich aus dem Fenster des Cafés und dachte an unseren letzten Urlaub im Schwarzwald. An die Scheiben prasselte

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