Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
Mutter?« Er zog mir die Decke vom Kopf. Widerwillig drehte ich mich ihm zu. »Hast du geweint?« Jetzt klang seine Stimme besorgt, und er streichelte mir übers Haar. »Mal wieder Streit mit deiner Mutter?« – »Es ist wegen Julia«, schniefte ich. »Julia? Hat sie angerufen? Ist ihr was passiert?« – »Sie hat einen Freund!« In Knuts Gesicht spiegelte sich Überraschung. Dann grinste er. »Na, damit war ja mal zu rechnen, das ist doch kein Grund zum Heulen.« – »Aber Julia schämt sich für uns!« – »Was? Wie kommst du denn darauf?« Ich sagte es ihm. – »So ein Quatsch! Lass dir doch von deiner Mutter nichts einreden, du weißt doch, wie sie ist. Wahrscheinlich hatte Julia einen simplen Grund dafür, diesen Andreas mit nach Dülmen zu nehmen.« – »Und was für ein Grund sollte das sein?« – »Was weiß ich, vielleicht hatten die beiden da zu arbeiten.« Sehr überzeugend. Zwei Finanzmanager fuhren von Zürich in die münsterländische Provinz, um dicke Geschäfte zu machen. Feindliche Übernahme eines Pferdehofes, oder was? »Vielleicht, mein lieber Mann, siehst du die Dinge besser mal realistisch. Guck dich doch mal hier um – und dann mach dir klar, in welcher Umgebung sich deine Tochter tagtäglich bewegt und wie sie tickt. Mutter hat völlig recht. Und wenn du Julia nicht immer verteidigen würdest, wüsstest du das. Wir sind ihr zu armselig!«
Plötzlich wurde Knut wütend, seine Stimme schneidend. »Im Grunde bist DU es doch, die hier alles armselig findet! Die MICH armselig findet! Meinst du, ich merke das nicht? Meinst du, ich bin blind?« Automatisch wanderte mein Blick zum Kleiderschrank. Hatte er etwa meine Gucci-Tasche gefunden? »Du solltest dich mal hören, wenn du von all den schicken Leuten redest, die ihr in der Show habt. Was die und die anhatte, was der und der Tolles macht. Seit neuestem redest du schon von Kreuzfahrten – so was fandest du früher zum Kotzen! Aber jetzt ist für dich ja alles, was andere haben und machen, besser als unser Leben. Du bist doch sogar neidisch auf die Schuhe deiner Chefin!« Ich saß im Bett und glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Ich neidisch? Frechheit! »Das ist mal wieder typisch, Knut! Julia benimmt sich daneben, und ich bin hier die Böse – vielen Dank auch!«
Knut verschwand nach nebenan. O nein, mein Lieber, so nicht. Ich sprang vom Bett und lief ihm hinterher. Er hatte gerade den verdammten Fernseher angemacht und starrte mit steinerner Miene auf den Schirm. Es lief eine Sportsendung, aber ich glaubte nicht, dass Knut viel davon mitbekam. »Du machst es dir ja wieder mal verdammt leicht!«, fauchte ich und stellte mich mitten vor das Gerät. »Du hast doch nichts anderes mehr im Kopf als deine blöden Affen! Von dem, was hier anliegt, kriegst du doch gar nichts mit! Alles bleibt an mir hängen, einfach alles, der Haushalt, der Hund, alles!« Ganz von allein war meine Stimme immer lauter geworden. »Und nie willst du was verändern!« Ich hätte genauso gut die Wand anschreien können. »Rede mit mir, verflucht noch mal!« Nichts. Von Knut kam kein Wort mehr. Er saß da, stumm und stur wie ein Bison, fixierte die Gegend um meinen Bauchnabel und wartete, dass ich den Bildschirm frei machte. (Die nächsten Worte, die ich von ihm hören sollte, waren Stunden später: »Eine große Pizza Tonno zum Perckentinweg.«)
Wutentbrannt schnappte ich mir meine Tasche und Herkules. Ich brauchte frische Luft. Draußen schickte ich meinem Vater eine SMS. »Habe Migräne, esst bitte allein. Lilli.« Gerade hatte ich auf »Senden« gedrückt, als der Hund anfing, sich wie verrückt zu gebärden. Ehe ich kapierte, was los war, hörte ich eine vertraute tiefe Stimme sagen: »Herkules! Das ist aber eine schöne Überraschung.« Und schon kneteten kräftige Männerhände dem Hund das kurze Fell. Jetzt spürte ich wirklich Neid. »Wo ist denn Floh?« Ich sah mich suchend um. Nicht, dass das Tier leicht zu übersehen gewesen wäre, aber es war schon ziemlich dunkel. »Zu Hause. Ich komme gerade von Freunden mit einer Tierhaarallergie. Und, wie macht sich der Kleine?« Auf eine Unterhaltung über Herkules hatte ich gerade so viel Lust wie auf eine Liebesnacht mit dem Bison, das oben auf dem Sofa hockte. »Redest du auch manchmal über was anderes als über Hunde?« Das ›Du‹ kam mir noch ein bisschen schwer über die Lippen. Tim überhörte meinen leicht zickigen Ton und lachte: »Manchmal.« – »Wie wär es mit jetzt? Hast du Zeit für ein Bier?
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