Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
schmerzte mein Ohr vom vielen Telefonieren, und ich freute mich beinahe, als die Chefin in mein Büro kam. »Frau Karg, rufen Sie noch mal bei den Kollegen von der Telefontechnik an. Der Apparat in meinem Büro funktioniert noch immer nicht!« – »Gleich, Frau Berger.« – »Und ändern Sie die Pläne. Für Milberg und Kekilli kommen Jan Fedder und Peter Heinrich Brix.« Sie hatte ihr Problem also gelöst. Jedenfalls das mit den Gästen. Kurz erlaubte ich mir ein Grinsen. Ihr kaputtes Telefon ging auf mein Konto und barg noch eine kleine Überraschung. Warum hatte ich eigentlich nicht meinen eigenen Apparat sabotiert? Ich schaltete auf Voicemail. Denk nach, Lilli, denk nach. Wo rotten sich an einem Freitagabend zwanzig Leute unterschiedlichen Alters und Geschlechts zusammen? Ich konnte ja schlecht die Gäste aus dem nächstgelegenen Restaurant holen. »Hi, Lilli, wie läuft’s?« Barbara Schöneberger kam herein. »Du siehst gestresst aus. Noch mehr Absagen für heute?« Natürlich waren der Redaktion meine Schwierigkeiten nicht verborgen geblieben. »Ja, aber ich krieg das schon hin.« Sie lächelte. »Bestimmt, kriegst du doch immer. Sag mal, wo hast du die neuen Autogrammkarten, die ich signieren soll?«
Ich griff ins Regal neben dem Schreibtisch. Auf den Stapeln mit Barbaras lächelndem Konterfei lag »Der Cityguide für Neu-Hamburger«. Den hatte ich als kleines Geschenk für mein nächstes Treffen mit Marie-Anne besorgt. Ich gab Barbara ihre Karten und blätterte in der Broschüre. Meine Güte, was man in meiner Stadt alles unternehmen konnte! Die meisten Bars, Lounges, After-Work-Clubs und Restaurants kannte ich nicht einmal vom Namen her. Plötzlich fühlte ich mich uralt. »Brunos gemütliche Kneipe« in Niendorf war selbstredend nicht aufgeführt. Dann blieb mein Blick an der Rubrik »Neue Stadt – neue Freunde« hängen. Und in meinem Kopf machte es »Pling«. Fünf Minuten später sprach ich mit einer freundlichen Dame vom Freizeittreff Hamburg. »Zwanzig Leute zwischen dreißig und sechzig? Das kriegen wir hin. Wo genau sollen wir erscheinen?« Wahrscheinlich konnte man den Felsbrocken, der mir vom Herzen fiel, noch im Treppenhaus poltern hören. Beziehungsweise hätte man hören können, wenn nicht ein anderes Geräusch alles übertönt hätte. Yvonne Berger kreischte in den höchsten Tönen: »Wie kommt das hierher?!«
Wie es schien, war der Telefontechniker fündig geworden. Eine Sekunde später war ich auf dem Flur und linste durch die Glastür in das Büro der Berger. Sie stand da wie festgefroren, hielt einen hübschen Stringtanga zwischen den spitzen Fingern und stotterte: »Das ist nicht meiner, ich habe keine Ahnung, wie das Teil unter meinen Schreibtisch gekommen ist!« Ihr Gesicht war so rot, dass der Lippenstift kaum noch auffiel. Der Kollege von der Technik hatte sichtlich Mühe, sein breites Grinsen unter Kontrolle zu bekommen. »Also das Telefonkabel ist dann jetzt wieder in der Buchse, das hatte sich wohl gelöst.« Er ging, und ich hörte ihn noch kichern, als ich ihn schon längst nicht mehr sehen konnte.
7. Oktober
Best-of:
Endlich mal wieder ein echtes Erfolgserlebnis bei der Arbeit! Das soll mir erst mal jemand nachmachen, zwanzig Leute aufzutreiben, die trotz absoluten Mistwetters von einer Stunde zur anderen pünktlich im Studio sitzen und ein super Publikum abgeben. Die haben von mir alle ein Schlüsselband als Dankeschön gekriegt und waren happy. Und, kaum zu glauben, aber wahr: Frau Wichtig-Berger hat mich, die ich angeblich nur kümmerliche Leistungen bringe, gelobt – vor den Ohren von mindestens fünf Kollegen! Prompt habe ich mich ein bisschen wegen der Tanga-Aktion geschämt. Vielleicht lasse ich sie jetzt eine Weile in Ruhe. Bin trotzdem gespannt, welche Gerüchte ich in der Kantine zu hören kriegen werde. Grins.
Worst-of 1:
Knut hat schon wieder Nachtdienst. Manchmal frage ich mich, was das eigentlich für eine Ehe ist, die wir führen. Wir sehen und sprechen uns kaum noch.
Worst-of 2:
Seit ein paar Tagen war Tim nicht mehr auf der Wiese. Ich trainiere das kleine Monster trotzdem, aber ohne Tim ist es nicht dasselbe. Gestern habe ich David Garrett im Fernsehen gesehen. Seit wann hat denn der so ein rundes Kinn? Also, Tim sieht eindeutig männlicher aus.
PS: Bin so müde.
Ich liebe meine Mutter. Selbstverständlich tue ich das. Anders ist gar nicht zu erklären, warum ich sie nicht längst in kleine Stücke geschnitten und an die Tiger bei Hagenbeck
Weitere Kostenlose Bücher