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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Haskamp
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Wir setzen uns zu einem Herrn, der allein seine Zeitung liest, und baden die Gesichter in der Sonne. Unter uns im Fleet schwimmen Schwäne, die Geschäftigkeit der Menschen auf dem Rathausplatz geht uns nichts an, der Kaffee dampft in den Tassen. Ich knabbere entspannt an einem Amarettino. Da wendet sich meine Mutter dem Herrn mit der Zeitung zu – ich möchte betonen, dass weder sie noch ich diesen Mann je zuvor gesehen haben – und sagt: »Meine Tochter hat aufgehört zu rauchen und ein bisschen zugenommen, aber sie ist doch nicht zu dick, oder was meinen Sie?«
    Seitdem hörte ich einfach weg, wenn sie mir mal wieder eine Diät empfahl, zumal sie inzwischen immerhin aufgehört hatte, über meine Nase zu reden (»Also, wenn du sie verkleinern lassen willst, dann zahle ich dir was dazu«). Und dafür war ich wirklich dankbar. »Volumetrics. Ja, ich habe es notiert, Mama. Hast du deswegen angerufen?« – »Auch. Wir wollen am Wochenende nach Hamburg kommen. Kann dein Tierpfleger uns Karten für Hagenbeck besorgen?« – »Ja, sicher.« Ich würde die Karten kaufen, wie immer. Hagenbeck ist ein privater Zoo und auf die Einnahmen aus den Eintrittskarten angewiesen. Aber es hatte keinen Sinn, mit meiner Mutter darüber zu diskutieren. Es hat grundsätzlich keinen Sinn, mit meiner Mutter zu diskutieren. »Übrigens war Julia bei uns. Sie sagt, ihr würdet euch immer noch um ihre kleine Töle kümmern, stimmt das? Denn in diesem Fall nehmen dein Vater und ich uns lieber ein Hotelzimmer.« So herzlich wie in diesem Moment hatte ich den Hund noch nie angelächelt. Erst nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, fiel mir auf, was sie eigentlich gesagt hatte. Julia war im Münsterland gewesen? Wir hatten sie nicht mehr gesehen, seit sie Herkules bei uns abgeladen hatte. Am Telefon behauptete sie immer, sie hätte keine Zeit, uns zu besuchen oder den Hund abzuholen, weil sie sich erst in Zürich einrichten müsste. Seltsam.

7
    B ildete ich mir das ein oder schwankte das Gebäude? Das war mindestens ein Orkan, der da an den Wänden rüttelte und vor den Fenstern den Tag zur Nacht machte. Sogar die Lampen hatten eben geflackert. Richtig unheimlich. Aber nicht nur draußen herrschte Weltuntergangsstimmung. Vor zehn Minuten hatte Axel Milberg angerufen. Er steckte in einem Zug fest, irgendwo zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Göttingen. Oberleitungsschaden durch einen umgekippten Baum. Das konnte noch Stunden dauern. Dummerweise saß in demselben Zug auch die Schauspielerin Sibel Kekilli. In knapp drei Stunden fing die Sendung an, und jetzt fehlten uns zwei Gäste. Beinahe wäre nach dieser Nachricht auch die Berger umgekippt. Selbst ich hätte fast Mitleid mit ihr bekommen. Aber nur fast. Ich hatte auch gar keine Zeit, jemand anderen zu bemitleiden als mich selbst. Die Berger musste Ersatz für zwei Leute finden, ich für mehr als zwanzig. Anders gesagt: Die Chefin war hier nicht die Einzige, die Probleme hatte.
    Auf meinem Schreibtisch läutete nahezu ununterbrochen das Telefon. »Schwelmann mein Name. Wir haben für heute Abend Karten, können Sie uns auf einen anderen Freitag umbuchen?« Mit den Schwelmanns waren es genau vierundzwanzig Publikumsgäste, die wegen des Wetters abgesagt hatten. Seufzend strich ich den Namen von meiner Liste und griff zum Telefonhörer. »Guten Tag, Sie stehen auf der Warteliste für die Talkshow, und heute sind überraschend Plätze frei geworden.« … »Ja, verstehe, bei dem Sturm wollen Sie nicht aus dem Haus. Dann entschuldigen Sie die Störung, schönen Tag noch.« Keine Ahnung, wie oft ich mein Sprüchlein bereits aufgesagt hatte. Inzwischen telefonierte ich schon mit den umliegenden Altersheimen, mit Kollegen aus anderen Abteilungen und sprach sogar mit Helen und Thomas. Alles vergeblich. Das war doch zu blöd! Da warteten Leute drei Jahre auf eine Eintrittskarte für die Show, und jetzt wollte keiner hin. Nur wegen eines klitzekleinen Orkans. Noch eineinhalb Stunden bis zur Sendung. Auf dem kleinen Monitor neben meinem Schreibtisch konnte ich sehen, dass im Studio bereits die Musikeinlage geprobt wurde. Wenn mir nicht bald etwas einfiel, würde diese Talkausgabe als die Sendung ohne Publikum in die Fernsehgeschichte eingehen (und die Berger mich ungespitzt in den Boden rammen). Das kann dir doch egal sein, Lilli, dachte ich kurz. Du hast innerlich gekündigt, schon vergessen? Aber der Gedanke an leere Stühle, für die ich mich verantwortlich fühlte, war unerträglich.
    Mittlerweile

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