Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
Atlantikküste, direkt an der portugiesischen Grenze.« – »Und wann fliegst du?« – »Montag.« Ich überlegte. Heute war Donnerstag. Morgen hatten wir Sendung, danach könnte ich ein paar Tage freinehmen. Theoretisch würde es gehen. Grüne Augen mit goldenen Sprenkeln leuchteten mich an. Unter diesem Blick wurde mir ganz warm – als säße ich schon in der Sonne. »Ich kann ja mal darüber nachdenken.«
»Ja?« Yvonne Berger thronte hinter ihrem Schreibtisch und las in einem Ordner. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, war es keine unterhaltsame Lektüre. Auf der spitzen Nase trug sie eine eckige schwarze Lesebrille, über deren Rand sie mich jetzt anstarrte. »Was gibt es, Frau Karg?« Ich atmete durch und versuchte, meiner Stimme einen entschlossenen Klang zu geben. »Ich hätte gern nächste Woche frei.« – »Und da kommen Sie heute schon, am Freitag? Das ist ein bisschen kurzfristig, meinen Sie nicht?« – »Schon, aber die Woche darauf ist dann wieder Sendung, und …« – »Wann wir senden, Frau Karg, ist mir durchaus bekannt.« Ich hätte es mir denken können. Zu Sabines Zeiten war ein spontaner Kurzurlaub in einer sendefreien Woche überhaupt kein Problem gewesen. Aber die Berger musste natürlich ihre Show abziehen. »Ich habe mich schon um eine Vertretung gekümm…« Wieder ließ sie mich nicht ausreden. »Ach, dann ist Ihre Frage an mich wohl nur pro forma? Haben Sie Ihren Urlaubsantrag auch gleich selbst unterschrieben? Nicht? Na, das wundert mich aber. Meine Antwort ist nein, Frau Karg, und jetzt würde ich gern weiterarbeiten.« Damit richtete sie den Blick wieder auf ihre Unterlagen. Ich war entlassen. Dieses Biest! Diese machtgeile Xanthippe! Hätte der Tanga noch unter dem Schreibtisch gelegen, ich hätte sie damit erwürgt.
Und jetzt? Zurück in meinem eigenen kleinen Büro, drehte ich Kreise wie ein Kettenhund. Ich hätte auch sehr gerne wütend gebellt. Flug und Hotel waren schon gebucht. Ja, ich weiß, von außen betrachtet wirkt das etwas voreilig. Aber ich hatte Nägel mit Köpfen gemacht, sobald ich mich entschlossen hatte, tatsächlich gen Süden zu fliegen. Die Gefahr, es mir noch einmal anders zu überlegen, war sonst einfach zu groß. Alles war geplant. Dienstag früh mit dem Zug nach Bremen, von da aus per Flieger nach Faro. Dort würde Tim mich abholen. Herkules kam bei Freunden von Tim unter, die auch schon Floh in ihrer Obhut hatten. Knut würde ich einen kleinen gelben Zettel schreiben, ehe ich flog. Auf die Idee, dass die Berger Schwierigkeiten machen könnte, war ich gar nicht erst gekommen. Plötzlich musste ich an das denken, was Knut vor ein paar Wochen gesagt hatte, als ich genauso wütend auf sie gewesen war wie jetzt. »Lilli, die Frau ist deine Vorgesetzte, die gewinnt sowieso.« Ich blieb stehen. O nein. Diesmal nicht. Ich wollte nach Spanien. Und wenn ich dafür ihre Stiefel putzen musste.
Drei Minuten später stand ich wieder im Büro der Xanthippe. »Ja, was ist denn noch?« – »Ich möchte Sie bitten, Ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.« Sie holte Luft. »Nein, Frau Berger, warten Sie. Sie haben völlig recht. Ich hätte Sie früher fragen müssen, und ich verstehe, wenn Sie sich überfahren fühlen. Ich habe einen Fehler gemacht. Aber nicht aus böser Absicht, sondern einfach, weil das früher hier so üblich war. Und, äh, dieser Urlaub ist wirklich wichtig für mich.« Ich atmete tief durch. »Bitte.«
10
D ienstag, früher Nachmittag. Ich sah Tim sofort. Er stand in einem strahlend weißen T-Shirt hinter einer Absperrung und überragte alle anderen Wartenden. Sobald er mich sah, ging in seinem Gesicht die Sonne auf, und er fing an zu winken. Ich hätte wetten können, dass sich mindestens fünfzig Prozent der Frauen, die mit mir in die Ankunftshalle strömten, wünschten, dieses Traumexemplar von einem Mann wartete auf sie. Ich selbst wäre am liebsten stehen geblieben, um ihn in Ruhe anzuschmachten. Aber das tat ich natürlich nicht, sondern rollte langsam meinen Koffer an einer langen Reihe von Reiseleitern vorbei. Sie hielten Namensschilder in die Höhe und hielten nach ihren Kunden Ausschau.
Plötzlich bog ein alter Herr links vor mir abrupt nach rechts ab und zog mir seinen Koffer direkt vor die Beine. Offenbar hatte er seinen Namen entdeckt. Ich stolperte und konnte mich gerade noch fangen. Die letzten Meter legte ich ohne weitere Beinaheunfälle zurück. Dann stand ich vor Tim und wusste nicht, was ich sagen sollte. Oder
Weitere Kostenlose Bücher