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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Haskamp
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klar, dass nicht alle Frauen sind wie Michaela. Nimm zum Beispiel dich. Du bist sogar ehrlich in deiner Unsicherheit.«
    Wie war das? Tim lachte. »Jetzt guckst du genauso, wie du immer guckst, wenn Herkules dir gehorcht. Total verwundert.« Verwundert war gar kein Ausdruck. Immerhin hatte ich das Wort Ehrlichkeit in Bezug auf mich seit Jahren nicht mal selbst gedacht, geschweige denn von anderen gehört. »Du hast zum Beispiel nie darum herumgeredet, wenn es um Herkules ging, nie irgendwelche dummen Entschuldigungen von dir gegeben, warum er nicht gehorcht.« Wozu auch? Deswegen zu lügen fand sogar ich überflüssig. »Und du bist so angenehm direkt. Du glaubst nicht, wie oft ich erst nach einer halben Stunde merke, dass ich jemanden mit meinem Lieblingsthema Wölfe langweile – du aber hast mich gar nicht erst reden lassen. Ich mag es, wenn jemand so ehrlich ist wie du. Hey, deshalb musst du doch nicht rot werden.« O doch. Zeit für einen weiteren Themenwechsel.
    »Und, wann gehst du nach Österreich?« – »Das kann noch dauern. Ich habe dort Kontakt zu einer Biologin, mit der ich zusammenarbeiten möchte. Aber die ist im Moment in Kanada. Und ich muss erst mal nach Spanien.« Um uns herum leerte sich allmählich das Restaurant. Der Anzugträger vom Nebentisch war samt seiner in Seide gewickelten Begleitung längst verschwunden. »Was meinst du, gehen wir woanders noch einen Absacker trinken?« Ich nickte und ließ die Rechnung kommen. »Nichts da«, sagte ich, als Tim nach seinem Portemonnaie griff, »ich habe dich eingeladen, ich zahle.« Er steckte es ohne weiteren Protest wieder weg. »Na dann – danke. Aber der Absacker geht auf mich.«
    Vor dem Restaurant zog ich den Reißverschluss meiner Jacke so hoch wie möglich. Ein eiskalter Wind pfiff durch die Straßen. Ich fror. Einen Augenblick lang wünschte ich mir, Tim würde den Arm um mich legen. Wir schlenderten langsam Richtung Schulterblatt. »Du fährst nach Spanien?«, fragte ich nach. Da war es jetzt bestimmt schön warm. Bilder von Strand, Meer und Palmen, von weiß getünchten Häuschen und bonbonfarbenen Bougainvilleen standen mir vor Augen, ich glaubte den Duft von Zitronen zu riechen. »Da gibt’s doch keine Wölfe.« – »Doch, gibt es, in der Sierra Morena. Aber deshalb fliege ich nicht hin.« Sollte es tatsächlich im Leben dieses Mannes Dinge geben, die nichts mit Tieren zu tun hatten? »Sondern?« – »Ich helfe da Freunden von mir. Die betreiben ein Tierheim.« Wäre ja auch zu schön gewesen.
    Wir hatten Glück und fanden in einer kleinen Kneipe einen freien Tisch an Fenster. Ich sah mich um. Dunkelrot gestrichene Wände, ein paar Kronleuchter, schlichte Holztische mit Teelichtern in kleinen Gläsern, dunkle gepolsterte Lederstühle. An den Wänden Bilder in üppigen Rahmen. Wohnzimmeratmosphäre. Ich fühlte mich sofort wohl. Der Kellner war jung und freundlich. »Möchtest du noch einen Wein?«, fragte Tim. »Lieber einen Becher Kaffee.« Er blieb bei Bier. Schweigend warteten wir auf die Getränke. Draußen ließ der Wind Blätter und Müll über den Bürgersteig wirbeln, ab und zu gingen vermummte Gestalten vorbei, auf der Suche nach einem wärmeren Ort oder einfach auf dem Weg nach Hause. Einmal glaubte ich Knut in seinem grauen Dufflecoat zu sehen, aber es war nur jemand mit einem ähnlichen Mantel. »Du guckst, als läge die Last der ganzen Welt auf deinen Schultern.« Tim schmunzelte, als ich ihm wieder den Blick zuwandte. »Das ist nur meine Herbstmelancholie.« Ich zwang mich zu lächeln. »Diese dunkle Jahreszeit hasse ich wie die Pest. Mir fehlt das Licht.« – »Komm doch mit nach Spanien.« Das war eine neue Seite an Tim. Er machte Witze. Ich lachte. Tim nicht. Ohne jede Heiterkeit im Blick sah er mich an. »Nein, nicht lachen, Lilli. Ich meine das ganz ernst. Du siehst wirklich aus, als könntest du Urlaub brauchen, so blass, wie du bist. Komm mit, und wenn es nur für ein paar Tage ist. Tank Sonne, hol dir neue Energie.«
    Mein altes Ich wollte sofort rufen: »Das geht nicht! Ich kann nicht einfach mit einem schönen fremden Mann in den Süden fliegen!« Dieses Ich wollte im nasskalten Norden sein Leben in Ordnung bringen, anstatt unter Zitronenbäumen zu wandeln. Aber mein neues flexibles Ich flüsterte mit der Stimme von Marie-Anne: Na, Lieschen Müller von nebenan, mal wieder keinen Mut? »Wo in Spanien leben denn deine Freunde?«, hörte ich mich fragen. »In Ayamonte. Das ist eine kleine Stadt an der

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