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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Haskamp
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Selbstzweifel in der Sonne. Eine klassische Spontanheilung. Gleich nach meiner Rückkehr nach Hamburg würde ich mir eine starke Tageslichtlampe kaufen, gelobte ich mir und lächelte den blonden Mittvierziger von gestern an – strahlend, versteht sich –, der genau wie ich hier draußen frühstückte. Wie hatte ich in der Nacht nur so viel Unsinn denken können? Ob Tim distanziert war oder nicht, spielte doch gar keine Rolle. Ich wollte ja nichts weiter von ihm. Vor mir lag ein wunderbarer Tag. Dafür brauchte ich keinen Tim, sondern nur ein Taxi.
    »Guten Morgen, Lilli! Hey, du hast ja schon richtig Farbe im Gesicht. Hast du gestern den ganzen Tag in der Sonne gelegen?« – »Eher gesessen. Ich glaube, ich habe mindestens achtzig Prozent der Straßencafés ausprobiert.« Das stimmte. Ayamonte war voll davon, und ich hatte es einfach herrlich gefunden, mal hier ein Wasser, mal da einen Kaffee zu trinken und einfach nur dem Treiben um mich herum zuzusehen. Zwischendurch hatte ich als anständige Touristin auch brav alte Kirchen und barocke Häuser bestaunt und in mindestens zwanzig Geschäften gestöbert.
    Tim war heute blendender Laune. »Also hast du dich gestern nicht gelangweilt?« – »Nicht eine Minute. Im Hotel habe ich einen sehr netten Holländer kennengelernt, wir haben zusammen zu Abend gegessen. Das Hotelrestaurant ist wirklich gut.« Tim sollte ruhig wissen, dass ich nicht gleich in tiefe Trauer verfiel, wenn er nicht in der Nähe war. Ich dachte kurz an Piet Van der Wiesen. Auch er konnte sehr schön lächeln. Als er mir zum Beispiel erzählte, wie er den Preis für drei Nächte im Hotel auf die Hälfte heruntergehandelt hatte, da war sein Lächeln so warm gewesen, als spräche er über die Geburt seines ersten Sohnes.
    Wir waren auf der Autobahn Richtung Sevilla unterwegs, zu einem ganz besonders schönen Strand, den Tim mir zeigen wollte. Er schaltete einen Gang herunter, beschleunigte und überholte einen alten Golf, der vor uns herzuckelte. Ich war froh, als wir vorbei waren, Tim wieder schaltete und das Röhren des Motors auf ein erträgliches Maß zurückging. »Und wie war dein Tag gestern?« – »Anstrengend. Für eine Weile möchte ich keine Betonmischmaschine mehr sehen. Um neun war ich im Bett, total erledigt. Bin halt keine zwanzig mehr.« Sein Handy klingelte. Tim ging dran. »Ja, Jörg, was gibt’s? Echt? Wahnsinn! Wann? In zwei Wochen? Großartig, Mann, danke.« – »Gute Nachrichten?« – »Phantastische! Aber ich weiß nicht, ob du sie hören willst.« Verwundert sah ich ihn an. »Warum denn nicht?« – »Es hat mit den Wölfen zu tun, und die sind ja nicht dein Lieblingsthema.« – »Wenn du mir versprichst, nicht die nächsten zwei Stunden über Wölfe oder andere Viecher zu reden, möchte ich sehr gern wissen, was so phantastisch ist.« – »Versprochen.« Wir grinsten uns kurz an, dann sah Tim wieder nach vorn.
    »Hier in Andalusien gibt es einen Mann, der fast seine gesamte Kindheit unter Wölfen gelebt hat, ohne jeden Kontakt zu Menschen.« – »Du meinst, so wie Mogli aus dem Dschungelbuch ?« Er nickte. »Ach komm, du erzählst Geschichten.« – »Nein. Es gibt ihn wirklich. Mit sieben Jahren wurde er von seinem Vater an einen Ziegenhirten verkauft. Als der dann nicht viel später verschwand, blieb der Junge allein in der Sierra zurück. Und er hat überlebt, in einem Rudel Wölfe. Erst Jahre später wurde er von der Polizei aufgegriffen und gegen seinen Willen in die Zivilisation gebracht. Da war er neunzehn und konnte kaum noch sprechen, aber heulen wie ein Wolf. Er ist jetzt Mitte sechzig.« Tim setzte den Blinker. »Jetzt ist es nicht mehr weit.« Isla Cristina, las ich auf dem Ausfahrtsschild.
    »Und was hast du mit diesem spanischen Mogli zu tun?« – »Ich versuch schon lange, Kontakt zu ihm zu bekommen. Jetzt hat es endlich geklappt. Es muss der Wahnsinn sein, was der Mann zu erzählen hat.« Ich war sicher, dass Tim gerade wieder diesen glühenden Blick hatte, aber hinter seiner Sonnenbrille konnte ich die Augen nicht sehen. »Ich will ihn auch mit Gudrun zusammenbringen, das ist die Biologin aus Österreich, von der ich dir erzählt hab. So, und jetzt« – er tat so, als würde er sich mit einem Schlüssel die Lippen verschließen – »kein Wort mehr über Viecher. Höchstens über solche, die wir essen wollen.« Ausnahmsweise wollte ich mehr hören. »Und dieser Mann, ist der später wieder zurückgegangen zu den Wölfen?« – »Soweit ich es

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