Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
halb aus dem Haargummi gerutscht, und fixierte mein Gesicht. Unsere Blicke saugten sich aneinander fest. Ohne mich aus den Augen zu lassen, nahm er ein Stück Küchentuch und wischte sich die Hände ab. Ich bewegte mich nicht, lag einfach da und wartete. Wartete auf die nächste Berührung. Ich kam mir vor wie die Heldin eines der Herzschmerz-Romane in Mutters Bücherregal: Mit zart geröteten Wangen harrte die schöne Elisabeth freudig erregt ihres Galans, der … ruckartig den Kopf wandte, weil in diesem Augenblick ein Rudel Hunde bellend und schwanzwedelnd auf die Terrasse rannte.
Statt Auge in Auge mit Tim fand ich mich plötzlich Auge in Auge mit einer Dogge, die mir hingebungsvoll das Gesicht leckte. »Kurti, lass das«, hörte ich Tim sagen, und der Hund ließ von mir ab. Tim gab mir ein Küchentuch, und ich wischte mir das Gesicht trocken. An seinen Beinen sprangen derweil zwei kleine Mischlinge hoch. Eine üppige Rothaarige mit wilden Locken und ein bebrillter Blonder erschienen auf der Terrasse. Ich schätzte die beiden auf Anfang dreißig. »Tim, ihr seid schon da?«, wunderte sich die Frau und gab mir die Hand. »Hallo, ich bin Vera. Du musst Lilli sein.« Es war mir unangenehm, dass ich hier in ihrem Haus auf dem Bett lag, mir die Füße massieren ließ und vermutlich roch wie eine Schnapsfabrik. »Äh, ja, guten Tag.« Auch Jörg gab mir die Hand. »Wir mussten umdisponieren. Lilli hat sich den Fuß verstaucht.« – »Das ist ja blöd. Kann ich irgendwas tun?«, fragte Vera Tim. – »Ich glaub, ich hab die Behandlung im Griff.« Er zwinkerte mir zu. »Aber danke. Wie lief es heute mit dem Tierarzt?« Ich hörte Vera und Tim miteinander reden, ich sah Jörg ins Haus gehen, ich beobachtete die Hunde, die sich auf der Terrasse verteilten. Und die ganze Zeit konnte ich nichts anderes denken als: Verdammt, verdammt, verdammt!
Von da an waren wir keine Minute mehr allein. Tim erzählte mir, dass es auf der Finca am Abend eine Musikveranstaltung zugunsten des Tierheimes geben würde. Den ganzen Nachmittag über kamen und gingen Leute, brachten Essen für das kalte Büfett. »Soll ich dich ins Hotel fahren und zum Konzert wieder abholen?«, bot er an. Ohne ihn mit einem dicken Fuß in meinem Hotelzimmer zu liegen schien mir so reizvoll wie eine leere Flasche Champagner. »Wenn ich hier nicht störe, würde ich lieber bleiben.« Er schaute mir noch einmal tief in die Augen, streichelte mir über die Wange und sagte mit sehr sanfter Stimme: »Als ob du stören könntest.« Dann bandagierte er meinen Fuß. »Ruh dich ein bisschen aus, ich muss Jörg mal eben mit der Musikanlage helfen, in Ordnung? Bin gleich wieder da.«
Als ich wieder aufwachte, war es dunkel, ich lag unter einer dicken Wolldecke und musste dringend aufs Klo. Es dauerte einen Moment, bis ich wieder wusste, wo ich war und warum. Auf der Brüstung der Terrasse brannten Kerzen, und dort, wo der Tisch gestanden hatte, leuchtete das funzelige Licht einer Korblampe. Auch aus dem Haus fiel ein wenig Licht, die Tür stand offen. Drinnen hörte ich leise Stimmen, ein Mann lachte. War das Tim? Ich war mir nicht sicher. Es half nichts. Ich musste das Badezimmer suchen. Mein bandagierter Fuß passte nicht in den Turnschuh. Ich wickelte die Bandage ab, schlüpfte in meine Socken, dann in die Schuhe und trat vorsichtig auf. Schon viel besser. Tim hatte meinen warmen Pullover aus dem Wagen geholt und an das Fußende des Terrassenbettes gelegt. Lieb.
Langsam tastete ich mich durch einen schummrigen langen Flur mit verputzten Wänden. Die erste Tür führte in einen Lagerraum, die zweite in ein Schlafzimmer, die dritte endlich in ein winziges Bad. Ich fingerte nach dem Lichtschalter. Das war wirklich ein hübscher kleiner Raum mit leuchtend blau gestrichenen Wänden. Als ich mir die Hände wusch, sah ich mir aus einem mit bunten Kachelstreifen gerahmten Spiegel entgegen. Mit feuchten Fingern fuhr ich durch mein wirres Haar. Tim hatte recht. Ich hatte wirklich Farbe bekommen und heute am Strand einen kleinen Sonnenbrand auf den Wangen. Auf dem Waschtisch stand ein kleines Körbchen mit Schminkutensilien. Ich konnte nicht widerstehen, frischte meine Wimperntusche auf und stibitzte ein bisschen Tagescreme für mein gerötetes Gesicht. Lilli, du hast schon mal schlechter ausgesehen, sagte ich zu meinem Spiegelbild und lächelte mir zu.
Ich ging den Stimmen nach und fand die anderen in einer großen Küche. Auch hier in fröhlichen Farben gestrichene Wände,
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