Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
Wasser. Ich hatte mit meiner Bank telefoniert. Die Überweisung war nicht mehr rückgängig zu machen. Und nach wie vor kein Wort von Marie-Anne. Wir googelten sie. Ohne Ergebnis. Auch die Telefonauskunft kannte keine Marie-Anne Dupont oder eine Luise von Berg. Stockend erzählte ich Knut, warum das Loft so günstig war. Laut ausgesprochen hörte sich die Geschichte von der kranken Frau in Not selbst in meinen eigenen Ohren reichlich schräg an. Knut stellte ein Glas Wasser für mich auf den Tisch. »Aber so kann doch niemand lügen!« Ich hatte den Satz noch nicht ganz zu Ende gejault, als mein Blick auf die blonde Perücke fiel, die ich achtlos aufs Sofa geworfen hatte. O doch. Wenn ich nicht so viel Angst gehabt hätte, hätte ich gelacht. In meiner Erinnerung leuchtete ein Satz von Marie-Anne auf: »Die Pathologie des Lügens ist mein Fachgebiet.« – »Du musst zur Polizei«, sagte Knut. »Du hast das Geld heute erst überwiesen. Wenn du bis morgen wartest, ist es ganz sicher weg. Und du hast nichts in der Hand. Jetzt kann die Polizei vielleicht noch was machen.«
Der freundlich mitleidige Blick des Beamten war kaum zu ertragen. Er saß mir in einem schwarz-grau karierten Hemd an einem ganz gewöhnlichen Schreibtisch gegenüber. Ebenso gut hätte ich im Büro eines Versicherungsmaklers sitzen können. Von der Wand hinter seinem Schreibtisch lächelte ein kleiner Junge mit einer Schultüte im Arm. Er hatte die gleichen blonden Locken wie sein Vater. Kriminalkommissar Thorben Albers blätterte im Eingangsbericht seines uniformierten Kollegen, der meine Anzeige aufgenommen hatte. »Zweihundertfünfzigtausend? Das ist ein Fall für die Kripo.« Jetzt musste ich alles noch einmal erzählen. »Und es war nie jemand anders dabei, wenn Sie sich getroffen haben? Sie kennen niemanden, der die Frau ebenfalls kennt?« Sein Ton war sachlich, aber in Wahrheit hielt er mit aller Macht die eigentliche Frage zurück: »Wie kann man nur so dämlich sein?« Ich sah es in seinen grauen Augen. So hatte ich mich nicht mehr geschämt, seit ich mir in der ersten Klasse für alle sichtbar in die Hose gemacht hatte. »Nein.« – »Na gut.« Thorben Albers stand auf. »Warten Sie bitte hier.« Er nahm den Bericht und ging aus dem Raum. Ich holte mein Handy aus der Tasche und drückte auf die Wahlwiederholung. »Diese Nummer ist vorübergehend nicht erreichbar.«
Über der Tür, durch die der Kommissar verschwunden war, hing eine große Uhr. Fünf Minuten vergingen, zehn. Ich klickte mich durch die Fotos von der Wohnung. Meiner Wohnung. Komm schon, Marie-Anne, melde dich. Sag, dass alles gut ist. Dass es irgendeine gute Erklärung gibt. Dass ich dir hier Unrecht tue. »So, Frau Karg. Ich habe ein paar Dinge überprüft. Eine Marie-Anne Dupont ist in Hamburg ebenso wenig gemeldet wie eine Luise von Berg. Auch in München gibt und gab es keinen Eintrag unter diesem Namen. Die Wohnung im Marco Polo Tower ist auf eine Petra Meyering eingetragen. Sagt Ihnen der Name etwas?« – »Nein. Das kann aber gar nicht sein. Ich hab das Loft doch gesehen, wir waren drin. Schauen Sie, hier, ich hab Fotos gemacht. Und ein Dossier habe ich auch.« Ich gab ihm mein Handy und holte die Mappe aus der Tasche. »Wer ist die Frau hier auf dem Bild?« – »Äh, das bin ich, ich trug an dem Tag eine Perücke.« – »Und die andere?« Er zeigte mir den Schnappschuss von Marie-Anne. »Ist das Frau Dupont?« Das Bild hatte ich komplett vergessen. »Darf ich das kopieren?« Ich nickte. »Können Sie denn jetzt irgendetwas tun?« – »Ja. Ich denke, wir werden eine richterliche Anordnung zur Sperrung des Kontos bekommen, auf das das Geld gegangen ist. Ich habe das schon veranlasst.« Er sah auf die Uhr über der Tür. »Das kann heute noch klappen. Und dann sehen wir weiter.« Er ging mit meinem Handy aus dem Raum, kam diesmal schon nach fünf Minuten zurück, gab mir das Telefon und verabschiedete mich. »Wir melden uns, wenn es etwas Neues gibt.«
Knut wartete draußen. »Sie versuchen, Marie-Annes Konto zu sperren.« – »Das ist doch gut.« – »Nichts ist gut, Knut, gar nichts.« – »Kann ich irgendetwas für dich tun?« – »Lass mich allein.«
12
I ch falle. Kein Licht durchdringt die Finsternis. Immer tiefer geht es hinab, meine Hände greifen ins Nichts. Langsam beginne ich mich aufzulösen, verschwinde in der Schwärze. Endlich breitet sich in mir Ruhe aus, herrliche, himmlische Ruhe. So ist das also. Das Paradies ist ein schwarzes Loch. Das
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