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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Haskamp
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Campus Suite, Stephansplatz. Knut«. Keine schönen Aussichten, dachte ich, und spätestens jetzt hätte ich die Zeichen erkennen sollen.
    Ein paar Minuten später hinterließ mein tropfnasser Regenmantel kleine Wasserpfützen auf dem Fußboden eines dieser neumodischen Kaffeetempel, in denen es schwierig ist, im riesigen Angebot einen gewöhnlichen Becher Kaffee zu finden. Gerade wollte ich meinen Schirm in den Ständer neben der Tür stellen, als ich schräg über mir auf einer Empore einen Schopf rötlicher Haare entdeckte. Ich sah nur den Hinterkopf, aber das war ohne Zweifel Knut. Ich gestehe, dass ich mein Herz klopfen fühlte. Das war ja albern. Ich würde mich doch wohl nicht aufregen, weil ich Knut traf. Er war nur der Mann, mit dem ich die vergangenen siebenundzwanzig Jahre verbracht hatte. Und der mich spätestens seit ein paar Tagen für das dümmste Exemplar der Gattung Frau unter Hamburgs nassgrauem Himmel halten musste. Aber mein Herz klopfte unbeirrt weiter. Und dann fing es an zu rasen.
    Knut war nicht allein. Neben seinem Hinterkopf erschien das Gesicht einer Frau. Ich erkannte sie sofort. Sie war blond, sie war höchstens fünfunddreißig, und sie umarmte meinen Mann. Wie eingefroren stand ich neben dem Eingang und starrte auf die Szene, die irgendein besonders bösartiger Regisseur für mich inszeniert haben musste. Die Blonde zog einen Mantel über, winkte Knut noch einmal zu und kam die Wendeltreppe herunter. Direkt auf mich zu. Aber sie nahm mich, das tropfende Standbild neben der Tür, nicht wahr. Hohe Wangenknochen, braune Augen mit starken Augenbrauen, ein lachender, großer Mund, der »Bis die Tage« in Richtung Kaffeetresen rief. Dann war sie in den Regen verschwunden. Zurück blieben ein zarter Parfümgeruch und ich. »Lilli! Ich bin hier oben!«, hörte ich Knut rufen. Ich rannte aus dem Laden.
    Die Wut kam in Wellen. Dieser Mistkerl. Dieser Sausack. Frühstückte mit der Freundin – möchtest du ein Glas Sekt, Schatz? –, bevor er die lästige alte Ehefrau abservierte. Das war mehr als eine Ohrfeige, das war ein Faustschlag. Was dachte sich dieser Mann? Wie konnte er derselbe sein, der noch vor wenigen Tagen traurig, fast bittend gesagt hatte: »Ich bin doch dein Mann«? Scheißkerl, Scheißkerl, Scheißkerl! Seinetwegen hatte ich einen Mann wie Tim von der Bettkante geschubst! Ich durfte gar nicht daran denken. Ich war nicht nur naiv, ich war dumm wie Brot. Selbst Einzeller waren klüger als ich. Jeder einzelne Gedanke, der mir durch den Kopf zuckte, während ich durch die Stadt lief und sich der Regen auf meinem Gesicht mit meinen Tränen mischte, schmeckte nach Bittermandeln. Ein paarmal klingelte mein Handy. Ich musste nicht auf das Display sehen, um zu wissen, dass es Knut war. Der konnte sich von mir aus die Finger wund wählen. Wer wollte schon hören, was er zu sagen hatte? Ich jedenfalls nicht. Sollte er sich doch meinen aus dem Sand ragenden Hintern angucken.
    Stunden später kam ich völlig durchweicht in die Wohnung zurück. Knut war hier gewesen. Der gelbe Zettel klebte mitten auf dem Spiegel an der Garderobe. »Ruf mich an!« Ich angelte lieber die Tabletten wieder aus dem Müll und ging erst einmal duschen. Und jetzt, Lilli Karg? Während das heiße Wasser wieder Gefühl in meine eiskalten Zehen brachte und ich das Gesicht unter den Strahl der Dusche hielt, versuchte ich, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen.
    Was willst du jetzt tun? Dein Geld ist weg, dein Mann hat nach wie vor eine Freundin (erst jetzt gestand ich mir ein, dass ich dringend gehofft hatte, ja, davon ausgegangen war, die Affäre wäre beendet), deine ach so tolle Freundin Marie-Anne hat dich beschissen. Du bist zurück auf null. Nein, schlimmer. Dein Leben ist ein dickes, fettes Minus. Der Einzige, den du noch hast, ist Tim – und der ist weit weg. Du kannst genauso gut von der Brücke springen, Lilli. Die Köhlbrandbrücke wäre doch schön für den Zweck. Da springen dauernd Leute runter. Ach, hör doch auf, dir was vorzumachen, selbst dazu bist du doch viel zu feige. Also doch die Tabletten und wieder in dem schönen schwarzen Loch verschwinden.
    Meine Haut war schon ganz schrumpelig, als ich endlich aus der Dusche stieg. Im Flur piepste das Handy. Eine SMS. »Bin am Strand und muss gerade an dich denken. Tim«.
    Ich sah auf die Medikamentenschachtel, die unter Knuts Zettel auf der Flurkommode lag. Dachte an das schwarze Loch. Und dann an das Licht, in dem Tim jetzt badete, an den Strand, an das

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