Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
überhaupt nicht mehr begriffen, warum ich mir das nicht zugestehen konnte. Mit Rache hat das nichts zu tun. Nur mit dir und mir und dem, was zwischen uns ist. Verstehst du?« Ein winziges Nicken. »Dazu kommt, dass mein Leben zurzeit eine einzige Katastrophe ist, nicht nur wegen Knut.« Mist, mir stiegen Tränen in die Augen. »Ich brauch jetzt einfach jemanden, der lieb zu mir ist.« Ich konnte nichts dagegen tun, dass die blöden Tränen den Weg aus meinen Augen fanden und mir die Wangen hinunterliefen.
»Komm mal her.« Zögernd stand ich auf und ging zu ihm. Er streckte eine Hand aus und zog mich auf seinen Schoß. In seinen Armen kam ich mir winzig vor, so klein und geborgen wie ein Baby. »Ich möchte doch nur wissen, woran ich bin«, murmelte Tim über meinem Kopf, »alles andere wird sich schon zeigen.« Ich lag ganz still in seinen Armen. Nur ab und zu schüttelte mich ein Schluchzer. »Schau mich mal an, schöne Lilli.« Langsam hob ich den Kopf von seiner Brust. Mit kleinen Flatterküssen begann Tim, meine Tränen aufzusaugen, während seine Hände meinen Rücken erkundeten, unter mein Haar fuhren, meinen Hals liebkosten. Dann suchten seine Lippen die meinen. »So schön«, dachte ich. Und endlich hatte alles Denken ein Ende.
Tim schnarchte schlimmer als, na ja, als der, dessen Namen ich nicht denken wollte. Als ich von dem Sägen aufwachte, begann der Tag eben zu dämmern. Der lange Körper in meinem Rücken fühlte sich ungewohnt an. Ungewohnt, aber nicht schlecht. Gar nicht schlecht. Ich grinste vor mich hin. Hatte ich es doch geahnt. So ein bisschen Liebe schlug jedes Antidepressivum um Längen. Jetzt fehlte nur noch das andalusische Licht. Vorsichtig schälte ich mich aus Tims Armen, schlüpfte in ein langes T-Shirt und zog Tims Pullover an. Von der Kaminwärme war nichts übrig, die Hütte kalt wie eine Kühlkammer.
Die Tür quietschte. Tims Schnarchen wechselte die Tonart, aber er wachte nicht auf. Eine Sekunde später schlug ich die Tür wieder zu. Da draußen war keine andalusische Sonne, sondern andalusische Sintflut. Jetzt wusste ich auch, was hier so rauschte. Vor dem Häuschen hing ein Vorhang aus dicken Regentropfen. Ich ging pinkeln. Wie schon bei meinem ersten Besuch in dem Häuschen musste ich mich überwinden, das Klo zu benutzen. Es war eine Komposttoilette; ich musste ein Stück Regenrinne treffen und Wasser aus einer Plastikflasche nachgießen. Der Gedanke an das elegante Bad im Loft blitzte auf. Schnell wieder ins Bett.
Dieses Schnarchen war wirklich übel. Ich hielt Tim die Nase zu, und einen kleinen Moment herrschte Ruhe, ehe er mit neuer Kraft weitersägte. In Filmen schnarchten Liebhaber nie. Aber in Filmen, dachte ich, ist auch der Sex immer gleich perfekt. Tim und ich hatten eine Weile gebraucht, um zueinanderzufinden. Um ehrlich zu sein, war er ein bisschen ungeschickt. Erstaunlich ungeschickt, wenn ich bedachte, dass ein Mann mit seinem Aussehen doch unzählige Frauen im Bett gehabt haben musste. Andererseits konnte ich schlecht erwarten, dass er meinen Körper so gut kannte wie … Vielleicht lag es ja auch an mir. Meine Erfahrungen auf diesem Gebiet waren eher bescheiden. Um genau zu sein, hatte es da mit siebzehn einen Christoph König gegeben, und dann kam schon … Ach, war ja auch egal. Und an Kondome konnte ich mich bestimmt gewöhnen. Er würde sicher auch nicht immer gleich danach einschlafen. Entscheidend war schließlich die Zärtlichkeit. In dem Punkt konnte ich mich wirklich nicht beklagen.
Mein Gott, dieses Schnarchen! Ich rüttelte an Tims Schulter. Jetzt drehte er sich um und atmete fast geräuschlos. Als ich das nächste Mal aufwachte, lächelten mich Pantheraugen an. »Frühstück?« Er gab mir ein flüchtiges Küsschen, sprang aus dem Bett und machte sich am Kamin zu schaffen. Hm. Vielleicht gehörte er zur Gattung der Einmal-Männer. Aber Kaffee war gut.
Es wurde erstaunlich schnell wieder warm. Während mein schöner Liebhaber sich am Herd zu schaffen machte (sogar in einer alten Sporthose fand ich ihn zum Anbeißen), saß ich einfach nur da, sah ihm zu und hätte beinahe geschnurrt. Ich fühlte mich wie in einem Kokon. Die Tassen, die Tim auf den Tisch stellte, waren angeschlagen und ein bisschen schmuddelig. So wie hier bei Tageslicht alles ein bisschen schmuddelig war. Aber wen störte das?
Mein Telefon klingelte während der zweiten Tasse Kaffee. Julia. Einen Moment zögerte ich, den Anruf anzunehmen. Warum? Weil ich ungestört in meinem warmen
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