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Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Jetzt ist gut, Knut (German Edition)

Titel: Jetzt ist gut, Knut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Haskamp
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noch keine zehn Minuten im Büro, als sie sich im Türrahmen aufbaute und ihr Gift verspritzte. Ich lächelte honigsüß zurück. »Aber Frau Berger, ich würde Sie doch nicht im Stich lassen!«
    Sie kam näher, beugte sich vor und begutachtete das Schälchen mit der Pralinenauswahl, das ich eben erst auf den Schreibtisch gestellt hatte, und streckte zwei Finger aus. »Sie dürfen sich gern eine nehmen, Frau Berger, aber wenn Sie in Zukunft kurz fragen könnten, ehe Sie sich hier bedienen, das wäre wirklich ganz reizend.« Unsere Köpfe waren auf einer Höhe, und ich schwöre, dass ihre Augen sich zusammenzogen wie bei einer angriffslustigen Katze. Aber das war es nicht, was mich irritierte. Das kannte ich schon. Nein, da war noch etwas anderes. Ich schnupperte demonstrativ. Die Berger roch stark nach Pfefferminz. Und nach Alkohol. Morgens um zwanzig vor zehn. Interessant. Innerhalb einer halben Sekunde hatte sie Kopf und Finger zurückgezogen und war verschwunden.
    Beim Anblick der Papierberge, die mich erwarteten, hätte ich leicht wieder in Depressionen versinken können. Garantiert hatte meine entzückende Chefin dafür gesorgt, dass meine Vertretung möglichst viel für mich liegen ließ. Ich fuhr den Rechner hoch und ging erst mal ins Intranet, zu den offenen Stellen. Wie üblich gab es nichts, was mich reizte. Na ja. Der Tag, an dem ich hier wegkonnte, würde schon noch kommen. An die Arbeit, Lilli Karg, hilft doch nichts. Die Stunden vergingen mit der Beantwortung von Zuschauerbriefen, Anfragen nach Mitschnitten, Reisekostenabrechnungen. Gott, war das öde. Mittags ging ich mit Sven und den anderen in die Kantine. »Hast du schon gehört?« – »Was denn?« – »Hat nicht geklappt mit dem WDR, die Berger bleibt uns erhalten.« Das bis eben leckere Zigeunerschnitzel schmeckte plötzlich nach Pappe. Ob sie deshalb getrunken hatte?
    Mittwochabend. Noch eine Stunde Zeit, bis Knut kam. Mein Magen benahm sich, als stünde ich beim Bungeespringen auf der Klippe und müsste mich gleich in die Tiefe fallen lassen.
    Alle Türen des Kleiderschranks standen offen. Auf keinen Fall konnte ich eine meiner Neuerwerbungen anziehen. Ja, es war alles noch da. Zwar war Lillian aus meinem Leben verschwunden, aber nicht ihre Garderobe. Um ehrlich zu sein, ich hatte es einfach nicht geschafft, die Sachen zum Secondhandshop zu tragen. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte. Aber am Ende eines kleinen Kampfes hing alles wieder auf der Kleiderstange. War ja gar nicht einzusehen, dass eine Lilli Karg sich nicht schick machen durfte. Nur Lillians Haare waren im Müll gelandet.
    Ich erinnerte mich äußerst ungern an den Moment. Mit der Perücke in einer durchsichtigen Tüte stand ich vor der Palette der Mülltonnen. Wo musste das Ding rein? Das Zweithaar war echt, kein billiges Kunststoffexemplar. »Ist das nun Kompost oder Restmüll?«, murmelte ich vor mich hin, nicht ahnend, dass der nervigste Sanitäter der Welt just in diesem Moment ebenfalls seinen Müll entsorgen wollte. »Restmüll, würde ich sagen.« Der nachdenkliche Blick, den er erst den Haaren in der Tüte und dann mir zuwarf, stand mir immer noch vor Augen.
    Zurück zu meinem aktuellen Problem. Vielleicht eine schlichte schwarze Hose, dazu eine weiße Bluse und eine dunkelgraue Strickjacke? Gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass ich diese Kombination zuletzt bei der Beerdigung von Knuts Tante Johanna getragen hatte. Nicht gut. Die schwarze Hose mit einem grünen Pulli. Nee, Grün ist die Farbe der Hoffnung, da dachte Knut womöglich, ich wäre auf Versöhnung aus. Beige. Beige ist neutral. Helle Jeans und ein beigefarbener Rolli, darüber ein braunes Tuch. Ja, das ging. Jetzt musste ich mich nur noch entscheiden, was ich Knut sagen sollte.
    Ich hatte darüber nachgedacht. O ja. Sogar stundenlang, bei jedem Pinselstrich. Der Flur war darüber in einem zarten Türkiston erstrahlt, das Wohnzimmer begann melonengelb und weiß zu leuchten – aber in meinem Kopf lichtete sich nichts, da herrschte noch immer ein schmutzig grauer Mischmasch vor. Am besten überließ ich das Reden erst einmal ihm.
    Um fünf nach sechs hörte ich Schritte im Hausflur und riss die Tür auf, ehe Knut auf die Idee kommen konnte zu klingeln. Schon vor Wochen hatte ich das blöde Löwengebrüll trotzig durch »I feel good« von James Brown ersetzt. Damit musste ich Knut ja nicht unbedingt empfangen. »Hallo, komm rein.« Lag es an den türkisfarbenen Wänden, die von einer nackten Glühbirne

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