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Jetzt Plus Minus

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Titel: Jetzt Plus Minus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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der Fahrt zur Arbeit, vor dem Mittagessen zwei Kunden verloren, und jetzt eine unvorstellbare Pfuscherei der Wetterprogrammierer. Es schneit draußen. Wahrhaftig, es schneit. Er wird hinausgehen und am Morgen die Einfahrt freischaufeln müssen. Er kann sich nicht erinnern, wann es das letztemal geschneit hat. Und natürlich wieder ein Streit mit Alice. Sie läßt ihn einfach nicht in Ruhe. Am gefährlichsten ist sie, wenn sie ihn erschöpft vom Büro heimkommen sieht. Ted, warum tust du dies nicht, Ted, bring mir das. Jetzt, als er auf das Abendessen wartet, beim dritten Cocktail in vierzig Minuten, fühlt er einen seiner Kopfschmerzanfälle kommen. Diese qualvollen Anfälle, die einen ganzen Abend zerstören können. Was für ein Leben! Er spielt mit Mordvorstellungen. Sie zu einem netten, kleinen Spaziergang an den Speichersee mitnehmen, mit der Schulter ein harter, schneller Stoß. Sie kann nicht schwimmen. Hinab, hinab, hinab. Gluck. Leb wohl, Alice. Endlich frei.
    In der Küche tippt sie wütend auf den Tasten der Konsole herum und programmiert das Abendessen genau nach seinen Wünschen. Kalte Vichysauce, Beefsteak, innen blutig, außen verkohlt, Folienkartoffel mit einer Sauce aus saurem Rahm und Schnittlauch.
    Man braucht nicht zu meinen, es sei keine Arbeit, die Mahlzeit genau richtig hinzukriegen, selbst mit dem Autokoch. Alles für ihn. Den Mistkerl. Sag mir einer, warum strenge ich mich so an, um es ihm recht zu machen? Hat er mich glücklich gemacht? Was hat er für mich schon getan, außer mich die besten Jahre meines Lebens gekostet? Und er glaubt, ich wüßte nichts von seinen anderen Weibern. Diese Schnellschüsse bei der Mittagspause. Ach, es würde mir gar nichts ausmachen, wenn er morgen tot umfiele. Ich wäre eine großartige Witwe – so würdevoll beim Begräbnis, so stark, kaum Tränen. Und alle halten uns für ein so glückliches Ehepaar. Elf Jahre verheiratet, und immer noch verliebt. Das habe ich erst vorige Woche jemand sagen hören. Wenn sie nur die Wahrheit über uns wüßten. Wenn sie die nur wüßten.
    Martin blickt zum Fenster seiner Wohnung in der dritten Etage in Sunset Village hinaus. Schnee. Nicht zu fassen. Er kann sich nicht erinnern, wann er zum letztenmal Schnee gesehen hat. Vor dreißig, vierzig Jahren vielleicht, als Ted ein Baby war. Er kann sich einfach nicht erinnern. Weißes Zeug auf dem Boden – wann? Das Gehirn läßt nach, wenn man über achtzig ist. Er kann noch immer nicht glauben, daß er ein alter Mann ist. Es schockiert ihn, sich einzugestehen, daß sein Enkel Ted, Marthas Junge, schon fast vierzig ist. Ich habe den Jungen auf den Knien geschaukelt, und er hat mir den ganzen Anzug vollgespuckt. Vier Jahre war er damals. Nixon war Präsident. Heutzutage spricht kaum noch jemand von Trickie Dick. Alte Geschichte. McKinley, Coolidge, Nixon. Die Zeit rast. Martin denkt an Teds Frau Alice. Was für ein hübsches, kleines Gesäß sie hat. Was für flotte Titten. Da würde ich gerne zupacken. Wirklich. Weißt du was, Martin? Du bist noch gar kein so altes Wrack. Nicht, wenn du ihn noch für die Frau deines Enkels hochbringst.
    Seine Träume, sie zu ertränken, vergehen so schnell, wie sie gekommen sind. Er ist von Natur aus kein gewalttätiger Mensch. Er weiß, daß er es nie tun könnte. Er kann sich nicht einmal dazu überwinden, eine Spinne zu zertreten; wie könnte er dann seine Frau umbringen? Natürlich, wenn sie auf andere Weise sterben würde, ohne daß er gezwungen wäre, selbst zu handeln, wären alle Probleme gelöst. Sie fährt auf einer der Handsteuerungsstraßen, die sie bevorzugt, zum Friseur, ihr Wagen kommt auf Glatteis ins Schleudern, und sie fährt mit achtzig Stundenkilometern an einen Baum. Gut. Sie kauft auf dem Union Boulevard ein, und die Bank wird von einem Aktivisten in die Luft gesprengt; herumfliegende Trümmer erwischen sie. Gut. Der Zahnarzt gibt ihr ein neues Narkosemittel, und es stellt sich heraus, daß sie eine tödliche Allergie dagegen hat. Schwillt an wie ein Ochsenfrosch und stirbt nach fünf Minuten. Gut. Die Polizei kommt, lange Gesichter, verschnupfte Nasen. Tut uns schrecklich leid, Mr. Porter. Es hat einen furchtbaren Unfall gegeben. Sagen Sie nicht, mit meiner Frau, schreit er auf.
    Sie nicken stumm. Er hält sich aber tapfer aufrecht.
    »Du kannst jetzt zum Essen kommen«, sagt sie. Er sitzt zusammengesunken auf dem Sofa, wieder ein volles Glas in der Hand. Er trinkt mehr als irgendein Mann, den sie kennt, nicht, daß das so

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