Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jetzt Plus Minus

Jetzt Plus Minus

Titel: Jetzt Plus Minus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
viele wären. Vielleicht bekommt er Leberzirrhose und stirbt. Sterben die Leute noch an Leberzirrhose, fragt sie sich, oder bekommen sie jetzt eine neue Leber? Das Komische ist, daß er sie immer noch erregt, nach elf Jahren. Seine Augen, sein Gesicht, seine Hände. Sie verabscheut ihn, aber er erregt sie immer noch.
    Der Schnee erinnert ihn an die Zeit, als er ein junger Mann gewesen ist, damals im Osten. Damals war er ein richtiger Schürzenjäger. Und es war früher auch nicht so leicht, zum Ziel zu kommen. Die Mädchen machten sich immer Gedanken darüber, was die Leute sagen würden, wenn jemand dahinterkam. Was die Leute sagen würden! So, als sei das eine Schande, wenn man es mit einem Jungen trieb, den man mochte. Oder sie hatten Angst davor, schwanger zu werden. Sie verlangten, daß man ein Kondom benützte. Wie scheußlich das war: so, als trüge man Socken. Die Pille kam damals erst auf, die erste, von der man jeden Tag eine nehmen mußte. Man stelle sich eine Welt ohne die Pille vor! ›Hat es noch Dinosaurier gegeben, als du klein warst, Opa?‹ Immerhin, Martin war zurechtgekommen. Breit und muskulös, kraftvolle, ernste Züge, warme, fragende Augen. Man möchte es nicht glauben, wenn man mich jetzt sieht. Möchte wissen, ob Alice weiß, was für ein Bulle ich gewesen bin. Wenn ich das Geld hätte, würde ich mir eine dieser Zeitmaschinen mieten, die es jetzt gibt, und sie zurückschicken, damit sie mich so um 1950 besucht. Ein kleines Geschenk an mein jüngeres Ich. Er würde sich richtig über sie hermachen. Es verschafft Martin eine kurze Erregung, sich vorzustellen, wie sein jüngeres Ich sich über Alice hermacht. Aber natürlich kann er sich dergleichen nicht leisten.
    Während er sein Steak ißt, stellt er sich vor, wieder ledig zu sein. Würde ich noch einmal heiraten? Ganz bestimmt nicht. Jedenfalls nicht, bis ich bereit dafür wäre, vielleicht, wenn ich fünfundfünfzig oder sechzig wäre. Vorerst ein Junggesellendasein, einfach herumhuren wie ein junger Kerl. Zum Teufel mit der Verantwortung. Ich warte nach dem Begräbnis zwei oder drei Wochen, anstandshalber, dann mache ich mir ein schönes Leben. Hawaii, Tahiti, Fidschi, irgendwo da draußen. Mit Nolle. Oder Maria. Oder Ellie. Ja, mit Ellie. Er denkt an Ellies rosige Schenkel, ihre weichen, schweren Brüste, ihr langes, glänzendes rotes Haar. Zwei Wochen auf Fidschi mit Ellie. Zwei Wochen in Ellie auf den Fidschi-Inseln. Ja. Ja. Ja. »Ist dir das Steak blutig genug?« fragt Alice. »Ja, es ist richtig«, sagt Ted.
    Sie geht hinauf, um im Zimmer der Kinder nachzusehen. Sie schlafen beide, endlich. Oder täuschen es so gut vor, daß es keinen Unterschied macht. Sie steht einen Augenblick vor den Betten und denkt, ich liebe dich, Bobby, ich liebe dich, Tink. Tink und Bobby. Bobby und Tink. Ich liebe euch, auch wenn ihr mich manchmal zum Wahnsinn treibt. Auf Zehenspitzen geht sie hinaus. Und nun einen ruhigen Fernsehabend. Dann ins Bett. Immer dasselbe. Mein Gott. Ich weiß nicht, warum ich so weitermache. Es gibt Zeiten, da möchte ich explodieren. Ich bleibe um der Kinder willen bei ihm, glaube ich. Reicht das?
    Er stellt sich vor, wie er Hand in Hand mit Ellie den Strand entlangläuft. Alle beide nackt, bronzebraune Haut, schimmernd in der tropischen Sonne. Überall Palmen. Rosige Sandkörner unter den Füßen. Sanfte, durchsichtige, kleine Wellen klatschen. Eine stille Bucht. »Hier kann uns niemand sehen«, murmelt Ellie. Er sinkt auf ihren festen, glatten Körper und dringt ein.
    Ein sengendes Band von Schmerzen zieht sich wie ein Streifen glühenden Metalls um Martins Brust zusammen. Er wankt vom Fenster zurück und krümmt sich, während er zu einem Stuhl stolpert. Das Herz. Oh, das Herz! Das hast du davon, daß du über Alice sabberst. Geiler, alter Bock. »Hilfe«, ruft er schwach. »Komm doch, du verdammte Maschine, hilf mir!« Der Medico, durch den Satz eingeschaltet, rollt lautlos auf ihn zu. Seine Sensoren sind schon an der Arbeit, überprüfen ihn, suchen nach der Ursache der Beschwerden. Ein Teleskoparm schiebt sich aus der Brust des Medicos, schwebt über Martin und fährt eine Ultraschall-Injektions-Tülle aus. »Ja«, murmelt Martin, »richtig, verdammt noch mal, beeil dich und gib mir die Spritze!« Ruhig. Ich muß versuchen, ruhig zu bleiben. Die Tülle surrt leise, als sie das Beruhigungsmittel in Martins Vene spritzt. Er sinkt erleichtert zusammen. Die Schmerzen lassen langsam nach. Ah, das ist viel besser. Noch einmal

Weitere Kostenlose Bücher