Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
»der Dicke hier, wo ich reingekracht bin, das ist unser Herr Karl, unser Kellner, Mensch. Der kennt mich. Den kennt ihr! Der kennt euch auch!« Hinter ihm wühlte sich Herr Karl aus der Lawine, blanke Mordlust im Blick. »Seid ihr Bergräuber doch mal zu was gut, was?«, lachte der Sheriff und boxte Herrn Karl in die Rippen. Ich sah Herrn Karl seinen Skistock heben. »Herr Karl«, rief ich, »ist echt schön hier in Tirol. Un d – so friedlich. S o – Weihnachten. S o – weihnachtsfriedlich.« Mein Bruder stimmte rasch »O Tannenbaum, o Tannenbaum« an, wobei sein Nasenring und der Totenkopf seines Iron-Maiden-Pullis um die Wette lächelten.
Herr Karl betrachtete uns lange nachdenklich und ließ endlich den Skistock sinken. »Vergelt’s Gott«, zischte er.
Nächstes Jahr fahren wir nach Bayern. Der Sheriff meint, er kennt da welche und die müssten uns unbedingt kennenlernen.
Köln, 8 . Januar, das Gesicht sitzt, Hüfte nicht
Ständig fällt Frau Knecht um und ich kann’s richten
Bei den Verrenkungen, die wir ständig auf der Bühne machen, muss ich mich ja nicht wundern, wenn mir die Hüfte weh tut. Kann natürlich auch noch ein bisschen vom Skifahren und vom Weglaufen vorm Sheriff kommen und vielleicht auch ein kleines Bisschen vom Alter. Frau Knecht sagt immer: »Wir sind Spätgebärende live on stage«. Ich antworte dann kokett: »Du vielleich t – ich bin eine frühe Menopause. In meinem Alter sind die vor ein paar hundert Jahren schon gestorben.« Anstatt mir zu widersprechen, wie es Anstand und guter Geschmack gebieten, sagt die Frau Knecht doch letztens: »Das war vielleicht auch manchmal besser so.« Sie sieht niedlich aus, aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen! Im Knecht’schen Innern wohnt ein eiskalter Zynist! Jedenfalls tut meine Hüfte wieder weh. Mir egal, ich ignorier den Schmerz. Auf keinen Fall werde ich wieder von Doktor zu Doktor eiern, zehn Wartezimmerstühl e – zehn Meinungen, nichts da. Da nehm ich einfach ein paar Ibuprofen mehr. Ich erinnere mich nämlich noch sehr genau an die Arztbesuche im vorigen Jahr!
19 Volki, die alte Hüfte
Letztes Jahr Januar hatte ich plötzlich Schmerzen in der Hüfte, beim Gehen und Drehen, an Vögeln war gar nicht mehr zu denken. Lange hoffte ich auf Phantomschmerzen, dann fiel mir ein, dass bei mir noch alles dran ist. Ich rief beim Orthopäden an. »Termin?«, fragte die Sprechstundenhilfe, als hätte ich etwas Obszönes gesagt. »Termin? In acht Wochen. Frühestens.« Ich wies auf akute Schmerzen hin, hielt den Hörer an meinen Computer-Lautsprecher und drückte auf Play. Für solche Fälle habe ich eine Soundfile mit Stimmproben aus Guantanamo Bay vorbereitet. Die Sprechstundenhilfe ließ sich erweichen. »Donnerstagmorgen. Halb neun. Bringen Sie Zeit mit.«
Donnerstag halb zwölf. Drei Stunden im Wartezimmer verbracht, zwischen sämtlichen Grippeviren der Nation, vermutlich auch Schweinegrippe, Schweinepest und Grippeformen, die es noch gar nicht gibt, Huhn-Grippe zum Beispiel. Endlich sitze ich einer richtigen, echten Ärztin gegenüber, da schickt sie mich auch schon wieder weg. Frau Dr . Werger lässt mich röntgen. Dann Diagnose: »Da ist nichts. Disposition zur Arthrose, höchstens.« Sie erklärt, ich verstehe. Wäre ich ein Schäferhund, hätte ich HD. »Da ist nichts«, sage ich meinem Bein, das weiter schmerzt. Drei Monate später hinke ich zurück zu Dr . Werger. »Neues Quartal«, begrüßt mich die Sprechstundenhilfe. »zehn Euro. Danke.« Sie kassiert, ich humpele, Frau Dr . Werger überweist mich zur Kernspin. So macht jeder seinen Job. Knapp vier Wochen später lieg ich in der Röhre. Jetzt weiß ich, wie sich ein Knack-und-Back-Brötchen fühlen muss. Füge der Liste meiner neuen Krankheite n – Schweinepest, Huhn-Grippe und Disposition zur Arthros e – noch Platzangst hinzu.
Ein Stündchen Warten im Kernspin-Praxen-Wartezimmer. Warte mit allen anderen Patienten, dass der alte Mann mit dem schleimigen Husten endlich verendet oder den Brocken hochgewürgt kriegt. Weigere mich, in virenverseuchten Zeitschriften von vorvoriger Woche zu blättern. Vermute, nur in den Wartezimmern der Ärzte überlebt der »Lesezirkel« und unbekannte Virenstämme wie die Schweinegrippe, gegen die man sich dann da impfen lassen soll, wo man sie sich hol t – beim Arzt. Ein perfektes Perpetuum mobile. In meine Überlegungen platzt eine der Sprechstundenhilfen, diesen Geißeln der Menschheit, die mich vorhin nach meinem Namen
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