Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
aufzufrischen und habe bei einem Pegelstand von um die drei Promille losgedichtet:
»Du bist mein Herz, mein Augenlicht, mein Schnitze l – Blickst du mich a n – ist’s als ob die Leber kitzelt – Ich find dich tol l – ganz und gar, nicht nur son Fitze l – Bin auch knallvol l – magst du auch Lakritzel-Likör?«
Bin damit von einer doofen Casting-Show in die nächste gezogen, aber wenn man in Deutschland Schlagerstar werden will, hat man’s schwer. Da stößt man nur auf taube Ohren. Diese Talentscouts haben doch alle zu viel Rockmusik gehört. Die haben doch gar kein Gehör mehr für die feinen Zwischentöne von Herz und Schnitzel!
Überhaupt: Das ganze Musikbusiness ist korrupt! Hab mich bei diversen Musikverlagen eingeschlichen. Bin leider nie weiter als bis zur Vorzimmerdame gekommen, und das auch nur, weil ich mich mit Putzwagen und Kopftuch verkleidet an der Security vorbeigeschummelt hab. Der Vorzimmerdame hab ich dann den Rhythmus mit Besen auf meinem Blecheimer vorgetrommelt. Spätestens bei »Lakritzel-Likör« waren die halslosen Security-Kleiderschränke da. So kann das ja nichts geben mit dem Aufschwung, wenn junge Schlagertalente von osteuropäischen ehemaligen KGB-Agenten auf die Straße geworfen werden. Versuche mein Glück jetzt mal in Düsseldorf. Die haben ja auch mal ein bisschen Kultur verdient.
Köln, Februar, irgendwo unter einem Stein, never ending Karneval
Tja, mit der Schlager-Karriere war’s nicht weit her. Hätte die Polizei mich noch ein paarmal als Putzfrau verkleidet mit meinem Blecheimerchen randalierend aufgegriffen, wäre ich in der Psychiatrie gelandet. Pech, dann haben sie mich eben nicht verdient, diese Schlager-Ignoranten. Werde den Text ein bisschen umändern, Dunkelheit, Regen und Sinn-des-Lebens reinmengen, dann kann ich ihn vielleicht an Silbermond verkaufen.
Die Karnevalisten wollten den Schlager auch nicht haben. Und als Büttenredner war ich eine Null. Das ist schon ein doofes Gefühl, wenn so’n Tusch im Saal verhallt und 50 0 Jecken dich regungslos anstarren. Wahrscheinlich hab ich’s nicht geschafft, mich doof genug zu saufen. Vielleicht auch besser s o – einem in Karneval erfolgreichen Schlagerstar droht die Verbannung nach Mallorca, wo er den Rest seines erbärmlichen Lebens zwischen vollen Sangria-Eimern (den Touristen), Jürgen Drews und Micki Krause verbringen muss. Dem Bermuda-Dreieck, in dem jeder Anflug von Intelligenz spurlos verschwindet. Da erzähl ich mir doch lieber selbstgemachte Witze:
Kommt eine Frau zum Fotografen und sagt: »Ich möchte gerne ein schönes Foto machen lassen.« Sagt der Fotograf: »Da brauchen Sie einen Termin.« Sagt die Frau: »Mit Ihnen?« Sagt der Fotograf: »Nö, mit dem Schönheitschirurgen.«
Hammer, oder? Hoffentlich ist Karneval bald rum und ich darf wieder auf die Straße.
22 Der koordinierende Weltgeist
Manchmal birgt das Leben mehr Realität, als ein Mensch ertragen kann, und dabei rede ich nicht von Karneval. Der hat auch seine guten Seiten, ohne Karneval würden die Deutschen schneller aussterben. Nein, ich rede vom Leben an sich. Das präsentiert sich manchmal als Sammelsurium merkwürdiger Begebenheiten, die doch miteinander vernetzt scheinen. Manche Philosophen vermuten gar einen sich manifestierenden Geist hinter den zufälligen Ereignissen, eine Kraft, die zu einem Sinn strebt. Ich weiß nicht. Wenn hinter all dem ein koordinierender Weltgeist stecken soll, dann doch zumindest ein sehr fragwürdiger. Oder es ist einer von diesen Arschnasen, die einen »zum Nachdenken anregen« wollen.
Beispiel gestern: Wache auf und höre meine piepende Mailbox ab. Eine Nachricht von meinem verflossenen Geliebten, untermalt von Gesprächsfetzen und Karnevals-Musik, das ganze um vier Uhr morgens: »Du hast übahaup kein bisschen Stil un’ Nivea u … Du wei ß … auch gar nicht, was sich gehör t …«, dann Gläserklirren und das Geräusch meines mitsamt Barhocker und Benimmregeln umfallenden Ex-Lovers. Stelle Mailbox ab und denke darüber nach, warum man aus Besoffenen so oft die Mutter sprechen hört. Schalte lässig Radio an und höre einen Rappe r – aktuell auf den gekauften Charts Platz eins und daher in einer Art Dauerschleif e – »Happy Birthday« zu Ehren eines abgetriebenen Babys singen. Dazu greint eine Frauenstimme »I made a mistake, I made a mistake«. Zum zweiten Mal an diesem Morgen höre ich eine unzufriedene Mutter rummeckern, komisch. Schlage die Zeitung auf un d – wie sollte es
Weitere Kostenlose Bücher