Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
ihren Niederschlag auf meinem Konto sozusagen. Aber noch ist Geld da, also: auf, auf, Kleider kaufen auf die Kölner Ringe. Wo die Hoffnungs-und Rententräger der Nation rumspringen, junge Männer, kaum in der Lage, sich fehlerfrei eine Kappe schräg auf den Schädel zu setzen, im Zehnerpack als ›boyz in the hood‹ sortiert, eskortiert von Grüppchen kichernder bauch-und hirnfreier Mädchen. Ich will da nicht hin! Auf den Kölner Ringen läuft meine Rente rum. Meine Rente, pah! Vielleicht sollte man es machen wie Ursula von der Leyen: Die ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat gleich sieben eigene Pflegestufen in die Welt gesetzt. Ich dagegen als Kinderlose muss meinen Generationenvertrag mit jungen Menschen abschließen, die kaum lesen und schreiben können, wie soll das denn gehen?
Deutsch wird auf den Kölner Ringen nur noch fragmentarisch dargeboten, ein einziger akustischer Super-Gau. Als ic h – vor gefühlten 20 0 Jahre n – für eine Zeit nach Frankreich ausgewandert bin, hab ich mich angestrengt, die Landessprache zu lernen: Ohne gute Sprachkenntnisse kein guter Job, das war mir klar. Gestern Bericht gesehen, in dem ein junger, hier aufgewachsener Berliner so wenig Deutsch spricht, dass er bei seinem Bewährungshelfer einen Übersetzer braucht. Und dann noch in der Zeitung gelesen, dass ein anderer Berliner Schüler vor Gericht einen eigenen Gebetsraum durchgesetzt hat. Da fass ich mir an den Kopf. Und fordere: Mehr Deutschunterrich t – weniger Religion, die Säkularisierung lebe hoch! Vor allem in der Schule! Aufklärung ist toll! Aber wie so oft werden meine mahnenden Rufe ungehört verhallen.
23 Die Jugend von heute
Es ist das Vorrecht der Alten, über die Jugend von heute herzuziehen. Dass die doof ist und unhöflich und sowieso früher alles besser war. Als Jugendliche fand ich das schlicht unlogisch. Wie hatte ich mir denn bitteschön die höfliche Jugend meiner Großeltern vorzustellen? Ungefähr so: »Entschuldige, gegnerischer Soldat, das wird jetzt ein bisschen wehtun«? Oder: »Würden Sie bitte diesen gelben Stern anstecken, danke für Ihr Vertrauen«? Heute habe ich Verständnis für die Abneigung der Alten gegen die Jugend. Denn auch ich bin immer weniger einverstanden damit, wie ich frühmorgens aussehe. Um die Augen herum wie ein Marshmallow und so viel Kontur im Gesicht wie ein Muffin! Da hack ich gern auf der Jugend von heute rum: Die mit ihrer glatten Haut, dafür doof wie ein Meter Ackerweg im Dunkeln! Der schleichende Prozess der Verblödung trifft Deutsche wie Migrantenkinder. Gut, manche Migrantenkinder haben es doppelt schwer: Sie lernen erst, ›was ist Zwangsheirat‹ und dann ›was ist Akkusativ‹.
Letztens im Klamottenladen hatte mein Verständnis für den fremden Kulturkreis wieder Pause. Da stand sie, Kopftuch auf, Dekolleté schamhaft bedeckt und dazu das übliche Drunter-und-drüber-Gemengelage von Kleid-über-Hose mit Jacke dazu. Gelebter Widerspruch: Das traditionelle Schichtenmodell trägt die Jung-Muslimin, gefangen zwischen Mittelalter und Neuzeit, hauteng und aus den neusten Modefetzen. Und das kleine Stückchen Gesicht im Kopftuch ist knallbunt angemalt, im Gesamteindruck wirkt das Mädchen verwirrend absurd, wie eine grell geschminkte Nonne. Und ehe ich abhauen kann, öffnen sich die signalrot geschminkten Lippen und entlassen Botschaften an die Verkäuferin: »Kann isch nachbeställe, die Rock? Wann is hier? Swei Woche?« Dann dreht sich die junge Frau um zu ihrer schweigsamen Begleiterin, die ungeschminkt unter ihrem Ganzkörper-Kopftuch vorschüchtert und erklärt, was immer sie zu erklären hat, in einer mir nicht geläufigen Sprache voller ›Ü‹, ›Ö‹ und Rachenlauten.
All diese Beobachtungen und Betrachtungen lassen sich ganz wunderbar tätigen, wenn man im Kaufhaus an der Kasse steht, und seit 1 5 Minuten darauf wartet, sein doofes T-Shirt bezahlen zu dürfen, die 20-jährige, blonde Kassiererin aber technische Probleme hat und als einzige Hilfe zwei weitere blonde Hohlhupen mit Namensschild »Janine« und »Natalie« in der Nähe sind. Janine kaut Kaugummi. Sie ist offenbar das Leittier, denn die Kassiererin wendet sich jetzt hilfesuchend an sie. »Kumma, Janine, wenn die Natalie jetzt auf misch käuft, ne, warte, dann mach isch erst Storno, ne? Oder wie geht nochmal dreissisch Prozent?« Janine kaut Kaugummi. Mal mehr, mal weniger heftig. Dann stößt sie hervor: »Nä, drückse, warte, hier erst Eingabe, nee e – warte mal.«
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