Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
Milchstraße endet, predigte Anarchie, war innerlich ein Spießer, tat alles, damit das niemand merkte, und ging, glaube ich, der ganzen Welt mit meiner ungebrochenen Diskussionsfreude und Rechthaberei unendlich auf den Pinse l – insgesamt ein Vorzeigeprodukt europäischer Aufklärung! Meine Eltern sahen das anders, haben mich aber trotzdem nicht ausgesetzt. Familie ist was Feines. Man wird sich einfach nicht so schnell los wie beispielsweise verflossene Liebschaften.
Ich weiß noch vor zwei Jahren Ostern, da hatte ich mit Thomas Schluss gemacht und fühlte mich sehr einsam. Und wie eine alte Jungfer, die niemand mehr haben will. Vierzehn Tage sind eine lange Zeit, wenn man die Nächte mitzählt. Um mich abzulenken, bin ich damals auf eine Party gegangen und natürlich ist prompt Thomas mit seiner Neuen da aufgetaucht. Köln ist eben ein kleines gallisches Dorf, unsere Führer tragen Schnauzbärte und man wundert sich, dass sie nicht auf Schildern getragen werden. Jedenfalls traf ich also Thomas und seine Neue auf der Party. Caroline. »Die CARO«. Kotz. »Und«, sag ich zu ihr, »auch schon festgestellt, dass Thomas’ Gesülze kein intellektuelles Understatement ist, sondern dem Mittelmaß seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten entspricht?« Aber CARO hatte noch die rosa Brille auf, dick wie ein Glasbaustein, und ist entrüstet wegmarschiert. Da ist nichts zu machen, jeder lebt in seinem Kosmos und muss selber auf die Nase fallen. Dann haben die beiden eng getanzt. Nicht, dass es mich berühren oder mir gar weh tun würde. Auf keinen Fall. Ich habe die beiden aus rein wissenschaftlichem Interesse und mit viel persönlicher Distanz beobachtet, so wie Schimpansen in der Brunft. Wir unterscheiden uns ja genetisch nur minimal von unseren nächsten Verwandten, was uns nicht daran hindert, sie in kleine Käfige zu sperren und für Tierversuche zu missbrauchen. Ich bin gegen Tierversuche und Käfighaltung. Bei Thomas würde ich allerdings eine Ausnahme machen. Er und diese Caroline tanzten jetzt auf Brian Adams. An der Stelle »when you can see your unborn children in her eyes« haben sie sich tief in die hormonbenebelten Augen geblickt. Caroline streckte den Po raus und Thomas mit seinen Horst-Tappert-Gedächtnis-Tränensäcken guckte ganz schwiemelig. Tief in mir hab ich da ein atavistisches Gefühl entdeckt; Ehrenmord erschien mir auf einmal eine ganz brauchbare Alternative. Die beiden sind dann weiter eng umschlungen durch den Raum getorkelt, während ich in der Küche nach einem langen, scharfen Messer suchte. Weil ich auf dem Buffet diese köstliche italienische Salami entdeckt hab. Thomas und diese Ein-Euro-Schlampe scheinen sich original vermehren zu wollen. Darf doch nicht wahr sein. Die ist doch auch bestimmt schon 40.
24 Fragen Sie Frau Dr. Sommer
Hoch aktueller Trend für die deutsche Frau um die 40 plus ist: schwanger werden. Kinderkriegen fällt neuerdings unter Selbstverwirklichung und zwar gleich nach kreativem Töpfern und dem Yoga-Kurs. In dem besser situierten Köln-Sülz sehe ich nur noch kreuzfidele Vierzigjährige mit dickem Bauch. Die erleben die »Gnade der späten Geburt«, von der der Kohl immer nur geträumt hat. Bei uns in Sülz kriegen Frauen Kinder in einem Alter, in dem sie sich bald mit denen um die Windeln streiten müssen. Normalerweise bin ich bei jedem Mist dabei, bei diesem Trend bin ich zögerlich. Ein Kind hat weitreichende Konsequenzen. Beispielsweise darf man nie wieder bei Rot über die Ampel gehen. Man kann sich höchstens nachts aus dem Haus schleichen, um dieses Gefühl der Freiheit zu genießen. Dann steht man da mutterseelenalleine, latscht über eine rote Ampel und niemand ist da, der warnend hupt. Böse Wörter sind in Gegenwart von Kindern auch tabu, jedenfalls laut intoniert. Höchstens mal leise auf dem Klo, wenn es auch inhaltlich passt. Junge Elter n – gestern noch ausgewiesene Matadore der Fäkalsprach e – kriegen schon rote Ohren, wenn man »Wichser« sagt. Oder »Verdammt«. Überhaup t – Thema ›Verdammnis‹. Kaum haben sich die jungen Eltern aktiv für die Überbevölkerung stark gemacht, treten sie wieder in die Kirche ein. Als Rückversicherung, falls ›Leonard-Finley‹, ›Vincent‹, ›Justin-Marvin‹, ›Larissa‹ oder ›Paris-Katherine‹, die in sie gesetzten Erwartungen, mit 15 den Nobelpreis zu holen, enttäuschen und auf die Hauptschule müssen. Christlich getauft, dürfen sie eine christliche Hauptschule besuchen, was den
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