Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab
Achten
Sie darauf, gegenüber dem anderen den enormen Zeitaufwand runterzuspielen, den Sie sich mit Ihrer »kleinen« Gefälligkeit aufhalsen:
»Ob ich jetzt ein Kind hüte oder sechs, wo ist denn da der Unterschied?«
»Ich muss sowieso in die Werkstatt, da bringe ich euren Fuhrpark auch geschwind zur Inspektion.«
»Ich habe schon bei so vielen Umzügen geholfen, da kannst du die anderen Helfer getrost wieder ausladen!«
Sollte Ihnen die Auswahl an Zeitdieben im Kollegen- und Bekanntenkreis zur Neige gehen, dann gönnen Sie sich doch einfach in der Mittagspause einen
Ausflug in die Universität der Zeitdiebe: Die deutsche Post. Sie kommen rein und sehen sofort, hier wird das schöne alte Kinderspiel wieder neu aufgelegt:
Die Reise nach Jerusalem. Sieben Leute stehen in der Schlange, aber Sie wissen genau, nur sechs kommen dran. Denn bei einem geht die Klappe hoch: »Dieser
Schalter macht jetzt Pause.«
Das andere Spiel auf der Post heißt. »Wir bilden gerade aus.« Immer wenn ich zur Post komme, bilden die gerade aus. Diese jungen Menschen tragen einen
Anstecker, auf dem steht: »Ich lerne noch.« Was für eine Übertreibung! Lernen hat doch etwas mit Bewegen zu tun! Wenn der junge Mann auf meiner Filiale
sich schneller bewegen wollte, dann müsste er still stehen. Mit der Hektik eines Sonnenaufgangs versuchte er neulich ein paar Briefmarken zu addieren. Ich
habe mir noch einen kleinen Scherz erlaubt und gesagt: »Machen Sie bei den Briefmarken den Preis ab, es soll ein Geschenk sein …« Da hat das Ganze noch
länger gedauert.
Es gibt aber auch Tage, an denen noch nicht einmal die Zeitdiebe für Sie Zeit haben. Dann müssen Sie sich wohl oder übel die Zeit selbst stehlen.
Setze dir keine Ziele oder: Reite stehend auf zwei Gäulen!
Nicht jeder, der nach Indien fährt, entdeckt Amerika.
Erich Kästner
Ein Wanderer, der kein Ziel hat, kann sich nicht verlaufen. Und was lernen wir daraus? Ziellosigkeit ist auch ein Weg. Die
Orientierung an der Orientierungslosigkeit hat ihren Charme. Nach kurzer Zeit wird der Wanderer ohne Ziel allerdings die Lust am Wandern
verlieren. Schließlich schiebt er das Wandern auf. Erst ein überzeugendes Ziel könnte ihn der Wonne des Aufschiebens entreißen.
Das heißt unterm Strich: Ziele gefährden das Aufschieben. Sie geben unserem Handeln eine Richtung. Sie sind der Magnet, an dem sich die Kompass-Nadel
unserer Aktivitäten ausrichtet. Die Psychologin Veronika Brandstetter von der Universität Zürich zählt Ziele zu den entscheidenden
Motivationsfaktoren. Besonders gefährlich werden dem Aufschieben Ziele, zu denen eine starke Zielbindung besteht. Wie wäre es sonst zu erklären, dass
viele sich sogar weit entfernte Ziele setzen.
Aber: Je weiter der Abschluss eines Vorhabens liegt, desto schwieriger fällt es, die nötige Ausdauer aufzubringen. Da wittern die Aufschieber wieder
Morgenluft. Wenn Sie das Scheitern Ihres Vorhabens absichern möchten, legen Sie die Erfüllung Ihres Plans in die ferne Zukunft. Vielleicht haben Sie die
Technik längst perfektioniert mit Vorsätzen des Kalibers:
Eines Tages werde ich ein Musikinstrument lernen.
Wenn ich mal Zeit habe, poliere ich mein
Englisch auf.
Ich wollte schon immer mal Fallschirm springen und so weiter …
Wer es mit dem Aufschieben ernst meint, entwickelt erst gar keine Ausdauer und lässt sich auch nicht von realistisch erreichbaren
Meilensteinen irritieren. Brandstätter empfiehltsogar, zielführende Handlungen mental durchzuspielen. Ein Probehandeln im Kopf soll der
Tat den roten Teppich ausrollen. Solche Ideen können dem Aufschieben ganz schön gefährlich werden. In Kombination mit einem lohnenden Ziel kann es schnell
passieren, dass die Umsetzung vor dem geistigen Auge so oft probiert worden ist, bis schließlich der erste Schritt real wird.
Doch auch, wenn der Stein ins Rollen gekommen ist, hat der bekennende Aufschieber noch ein As im Ärmel. Der erste Rückschlag kommt bestimmt. Ist es ihm
bisher gelungen, sich von der Tugend der Ausdauer fernzuhalten, braucht er sich jetzt nur noch seine dünne Haut für Rückschläge zu bewahren.
Achten Sie bereits bei der Definition des Zieles darauf, es möglichst demotivierend zu formulieren. Wenn Sie dem Sog, sich ein Ziel setzen zu müssen,
nicht standhalten können, dann gestalten Sie Ihr Ziel nach der SUMPF-Formel. Die Buchstaben der Abkürzung SUMPF bedeuten im Einzelnen:
S – Schwammig
U – Unmessbar
M –
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