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Jetzt wirds ernst

Jetzt wirds ernst

Titel: Jetzt wirds ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Seethaler
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aber talentiertes
Mädchen wie sie habe. Ich konnte sie mit ein paar vagen Versprechungen abwimmeln. Ein schnapsseliger Kumpel von Max zog mich zur Seite und lallte mir ins Ohr, dass er alle meine Filme schon
gesehen habe, die meisten davon sogar mehrfach und in Farbe, egal ob Kino oder Fernsehen. Ein ausgezehrter Mittvierziger mit grauem Pferdeschwanz hinter der Halbglatze, von dem niemand wusste, wer
er war und wer ihn eigentlich eingeladen hatte, wollte unbedingt erfahren, wie denn die Zusammenarbeit mit der Hauptdarstellerin gewesen sei. Insbesondere interessierte er sich für ihre
Brüste. Die Brüste der Starlets, so erklärte er mit nachdrücklichem Ernst, ließen nämlich auf die Entwicklung ihrer Karrieren schließen. Ist der Balkon zu
klein, gebe es keine Aussicht. Ist er allerdings zu groß, wecke er Erwartungen, die kaum erfüllbar seien. Viel entscheidender als die Größe sei allerdings sowieso die Form!
Die Brustform sei der stimmigste Indikator für die Karriereentwicklung. Birne zum Beispiel sei schwierig. Tropfen gehe gar nicht. Zu spitz heiße Vorabendprogramm. Zu flach tauge
höchstens für die Wettermoderation. Am besten sei Apfel, schwärmte er versonnen, und zwar mittelgroß. Die mittelgroße Apfelform garantiere eigentlich schon fast
automatisch den Erfolg im Fernsehen. Und wenn die Trägerin einer derartigen Apfelform vielleicht noch einigermaßen gerade stehen und fehlerfrei sprechen könne, stehe sogar einer
internationalen Karriere nichts, aber auch wirklich gar nichts mehr im Wege! Sein Blick schien abzudriften, seine Pupillen waren merkwürdig geweitet, und sein Pferdeschwanz baumelte begeistert
hin und her. Ich verzog mich in Richtung Tortenbuffet.
    Um zehn nach acht war es soweit. Max trieb die Gäste zusammen und erhob seine Stimme, die vom Punsch noch tiefer und rauer klang als sonst und mit einer winterlichen Feierlichkeit den Raum
füllte. Er sprach von mir, seinem besten Freund, seinem Blutsbruder, dem treuen Gefährten seiner frühen Jahre. Er erklärte, dass dieser Abend nichts Geringeres sei als ein
Meilenstein, und zwar der erste Meilenstein auf meinem unaufhaltsamen Weg zu Ruhm und Erfolg. Die Leute nickten ernst und stumm. Jemand rief ein leises »Bravo!« und die pralle
Rothaarige zupfte bedeutungsvoll an ihrem Ausschnitt.
    Mir war die ganze Sache natürlich unangenehm. Andererseits wiederum auch nicht. Vielleicht hatte Max ja Recht. Die Rolle war zwar ein Furz, aber es war eine Rolle. Ich war im Fernsehen, und
alle, die mich kannten, Freunde, Bekannte, die ganze Stadt, das ganze Land, ein Millionenpublikum und vielleicht sogar Direktor Priem mit seinem dürren hölzernen Kumpel an der Wand,
würden mir ins Gesicht sehen, würden meine Stimme hören und meine Präsenz spüren.
    Trotz solcher Gedanken bemühte ich mich, möglichst bescheiden auszusehen, und schaute still lächelnd auf den flauschigen Teppich hinunter. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich
Vater mit beiden Händen an seinem Punschglas festhielt und vor Rührung ganz feuchte Augen kriegte. Mit einer großartigen Geste leerte Max sein randvolles Glas und fuhr mit seiner
Rede fort. Dass das Talent mich bald weit über die Grenzen meiner Herkunft tragen würde, behauptete er mit leicht flatterndem Timbre, sei ihm schon lange klar gewesen. Eigentlich immer
schon. Seit dem denkwürdigen Tag, als wir im Schulhof gemeinsam einen Haufen Ameisen platt gewalzt hatten. Jetzt kam er zu unseren Schuljahren, sprach von Konkurrenz und Innigkeit, von
Stumpfsinn und Frohsinn, von Lehrern, Weibern und Eltern. Als er dann zudem die Schicksalsschläge erwähnte, die uns beide verbanden, den frühen und den noch viel früheren
Verlust unserer Mütter, wurde es ganz still im Raum. Rührseligkeit machte sich breit, und die Leute schauten mit glänzenden Augen in ihre Punschgläser.
    Plötzlich durchbrach Max’ schnapsseliger Kumpel die feierliche Stille mit dem freundlich gelallten Hinweis, dass es jetzt viertel nach acht sei und dass man sich, sollte man vorhaben,
weiteren gefühlsduseligen Reden zu lauschen, den Film ja sicherlich auch irgendwann im nächsten Jahr als Wiederholung im Vormittagsprogramm anschauen könne.
    Schnell wurde der Fernseher angemacht. Man sicherte sich einen ansprechenden Alkoholvorrat, machte es sich auf einer der vielen Sitzgelegenheiten bequem und starrte erwartungsvoll in die
Kiste.
    Der Film entsprach genau den Erwartungen. Die Handlung war nachvollziehbar, die Kostüme waren

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