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Jetzt wirds ernst

Jetzt wirds ernst

Titel: Jetzt wirds ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Seethaler
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bunt, und die Hauptdarsteller sahen noch viel besser aus als im wirklichen Leben. Oft waren
Tiere zu sehen. Vor allem das kleine Kätzchen in Großaufnahme. Die schönen Tiere und Menschen standen in seltsamem Kontrast zur Hässlichkeit unserer Stadt. Es war, als ob Engel
durch eine Jauchengrube wateten. Es wurde viel geweint und fast pausenlos gelächelt. Manchmal wurde sogar lächelnd geweint. Und über den Geschehnissen waberte der Soundtrack wie ein
zäher, klebrigsüßer Strom. Dann wurde die Musik düsterer, und die Pharmaindustrie kam ins Spiel. Jetzt ging es ums Ganze. Alles war bedroht, die Tiere, das Glück, die
Liebe und noch ein paar andere Sachen. Aber die Zoohändlerin und der geheimnisvolle Tierarzt stellten sich tapfer lächelnd den ganzen Anfeindungen.
    Schließlich war es so weit. Mein Auftritt rückte näher. Ich rutschte auf meinem Stuhl nach vorne an die Kante, beugte mich vor und spannte die Rückenmuskeln an. Die
Hauptdarstellerin ging im ehemaligen Stickwarenladen der alten Frau Chalupa hin und her und sprach leise mit ihren Tieren. In meiner Hand zitterte das Glas, der Punsch darin schlug kleine Wellen.
Die Hauptdarstellerin streute zärtlich summend eine Handvoll Sonnenblumenkerne in den Papageienkäfig. Einer der Papageien legte den Kopf schief und bedankte sich höflich. Vater
räusperte sich. Der Hintern der Rothaarigen wetzte langsam auf dem Sofakissen. Frau Gorac gluckste leise in sich hinein. Die Hauptdarstellerin bückte sich zum Kätzchen hinunter, nahm
es hoch und drückte es an ihre Brust. Ein inniger Augenblick voller Zärtlichkeit. Großaufnahme Dekolleté. Ich spürte, wie sich Max’ Hand beruhigend auf meine
Schulter legte. Die Hauptdarstellerin schaukelte das Kätzchen in ihren weichen Armen und blickte sinnend in die Ferne. Großaufnahme Gesicht. Jemand seufzte gerührt. Jemand kicherte
nervös. Die Hauptdarstellerin bekam feuchte Augen. An ihrer Brust schnurrte es leise. Großaufnahme Dekolleté mit Kätzchen. Plötzlich wechselte die Musik von Dur auf
Moll. Ich rutschte an den äußersten Rand der Stuhlkante. Max Fingerspitzen bohrten sich in meine Schulter, direkt in die weiche Stelle oberhalb des Schlüsselbeines. Die Musik
schwoll an. Die Hauptdarstellerin schloss die Augen. Das Kätzchen schnurrte. Alle hielten den Atem an. Und ich wusste: Gleich würde die Tür aufgehen …
Gleich … Jetzt … Jetzt …
    Schnitt. Eine wunderschöne Landschaft. Sanfte Hügel, grüne Wälder, ein Teich aus glitzerndem Bleikristall, am Ufer wogendes Schilf. Hufgetrappel nähert sich, die
schlanken Fesseln eines Schimmels fliegen über die Erde. Die kräftigen Muskeln zeichnen sich unter dem glatten Fell ab, das im Sonnenlicht schimmert. Und auf dem Schimmel: der Tierarzt.
Sein Haar flattert im Wind, sein Hemd ist offen, seine Brust glänzt, sein Blick ist in die Ferne gerichtet, weit über den Teich, über die Hügel, über die ganze Landschaft,
über den Horizont und über die Zeit hinaus. Immer weiter schweift sein Blick, lässt Sommer, Herbst und einen halben Winter hinter sich, durchdringt tief verschneite Wälder,
gleitet über glitzernde Flächen, schlittert über den gefrorenen Acker, vorbei an einem aufgeschreckt krächzenden Krähenschwarm, über die ersten Gärtchen und
niedrigen Dächer, durch das hohe Gusseisentor, über den Kiesweg, an der Hauswand hoch, durch das bläulich flimmernde Fenster in unser Fernsehzimmer hinein und mir direkt ins
Gesicht.
    »Sorry, mein Junge«, sagt er mit sanfter Stimme, »aber du bringst es eben einfach nicht …«
    Seine Augen strahlen in einem sagenhaften Blau. Seine Zähne glänzen weißer als das Fell des Schimmels. Er wirft den Kopf in den Nacken, drückt dem Pferd sanft die Hacken in
die Seiten und galoppiert davon. Staubwolke. Landschaft. Sonnenuntergang. Schnitt.
    Ich stand auf und blickte in die Runde. Die meisten hatten es noch gar nicht kapiert und starrten weiter erwartungsvoll in die Kiste hinein.
    »Die haben mich rausgeschnitten«, sagte ich leise.
    Betretenes Schweigen. Man konnte zusehen, wie die peinliche Erkenntnis nach und nach in die Gesichter einsackte. Lotte schob sich verlegen ihre Brille zurecht. Die Rothaarige blickte
demonstrativ gelangweilt aus dem Fenster. Der Schnapskumpel grinste dumm. Vater saß einfach nur da und sah mich an. Es lag keine Enttäuschung in seinem Blick. Aber auch kein Trost. Ich
schlüpfte in meine Jacke, ging in die Küche, schnappte mir eine volle Schnapsflasche und

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