Jetzt wirds ernst
und künstlerisch auf dem Rücken
verschränkten Händen herum, tat gedankenvoll und sah zu, dass ich möglichst schnell nach Hause oder ins Theater kam.
Max beschloss, die Sache auf seine Art zu befördern.
»Wir machen einen Fernsehabend, du Arschloch!«, sagte er, nachdem er die Fernsehzeitschrift ausgiebig studiert, sie anschließend zusammengerollt und mir kraftvoll auf den Kopf
geschlagen hatte. »Und zwar bei mir zu Hause! Mit Freunden, Weibern, was zum Saufen und allem, was sonst noch dazugehört!«
Er schniefte vor aufgeregter Vorfreude. Seine Augen blitzten mir aus dem hochroten Gesicht entgegen.
»Aber glaub ja nicht, dass ich stolz auf dich bin!«, fügte er hinzu und zog mir abermals eins mit der Zeitschrift über. Ich nickte stumm. Nie würde ich auf so eine
Idee kommen.
Am Samstagabend ging ich gemeinsam mit Vater zu Max. Es war ein eisklarer Winterabend, trocken, still, minus zehn Grad. Unsere Schritte knarrten auf der dünnen
Schneeschicht, die seit ein paar Tagen die Bürgersteige bedeckte. Die Dächer schimmerten im bläulichen Abendlicht, darüber funkelten ein paar verstreute Sterne. Das riesige Haus
strahlte schon von Weitem, alle Fenster waren erleuchtet, hin und wieder tauchte die Silhouette eines Menschen in einem der hellen Vierecke auf und verschwand wieder. Ich musste an Martha denken,
die von einem dieser Fenster irgendeiner seltsamen Sehnsucht entgegengeflogen war.
Max empfing uns am Eingang.
»Willkommen in meiner Hütte!«, sagte er und umarmte uns theatralisch. Er gab den weltmännischen Gastgeber, trug Anzug und Krawatte, hatte versucht, sich zu frisieren und
schob eine penetrante Rasierwasserwolke vor sich her. Wir klopften uns den Schnee von den Schuhen und gingen hinein.
Offensichtlich waren wir die Letzten. Überall standen, saßen oder gingen Leute herum. Ein paar Typen aus der Schule, die mich früher nicht einmal gesehen hatten, grinsten mir
anerkennend zu und hielten mir kameradschaftlich ihre Biergläser entgegen. Zwei Mädchen mit »überirdischen Erkern«, wie mir Max diskret zuraunte, flatterten kichernd
durch die Gegend und warfen verschämte Seitenblicke zu mir herüber. Drei weitere Erkerträgerinnen räkelten sich in einer riesigen Couch und schlürften Sekt aus dünnen
Gläsern.
Lotte fiel mir um den Hals und küsste mich überschwänglich. Sie hatte sich eine weiße Orchideenblüte ins Haar gesteckt, trug ein kurzes schwarzes Kleid, keine Schuhe
und sah einfach umwerfend aus. An den Zehennägeln glänzte der Chevroletlack und ihr Lippenstift roch nach Erdbeeren.
Ein paar andere Leute nickten mir freundlich zu. Menschen, die ich noch nie gesehen hatte, Cousins, Tanten, Onkel oder Bekannte von Max.
Um halb acht begann Frau Prbjiska Kaffee, heiße Schokolade und böhmischen Punsch aufzutischen. Dazu gab es Kuchen, fette Torten und selbst gebackenes Brot, das leise krachte, wenn man
hineinbiss. Immer mehr wurde angeschleppt, nach und nach füllten sich die Tische mit Schnittchen, Keksen und feinem Gebäck, der Duft nach Schokolade, Zimt und Rum verbreitete sich im
Haus.
Draußen hatte es inzwischen angefangen zu schneien, dicke Flocken, die langsam zu Boden trudelten. Der Mond schimmerte nur mehr schwächlich hinter einer Wolkenwand hervor und
übergoss den Garten mit seinem weichen Licht. Ein kleiner brauner Vogel hüpfte über die Rasenfläche, hob den Schwanz, schiss einen Batzen in den Schnee, schüttelte kurz
seine Flügel aus und verschwand im weißen Geriesel einer Hecke.
Drinnen bollerten die Heizkörper, die nächste Tortenladung wurde angeschleppt, der Punsch floss aus großen, dickwandigen Kannen, und die Wangen der Leute begannen zu glühen.
Jemand hatte eine Schnapsflasche aufgetrieben, Gläschen wurden herumgereicht, man prostete sich zu, stürzte das Zeugs mit verkniffenen Mienen hinunter, schüttelte sich zweimal und
verlangte nach dem nächsten. Die Stimmung hob sich zusehends. Der Punsch öffnete die Herzen, und der Schnaps entleerte die Hirne. Schnell kam man sich näher, verteilte Komplimente,
klopfte sich auf die Schultern, bot sich das Du an und wurde auch sonst recht intim.
Bei alledem wurde ich nicht vergessen. Ich war schließlich der Mittelpunkt des Abends. Der Junge, der es geschafft hatte. Der Fernsehschauspieler. Eine pralle Rothaarige im hautengen
Minirock und Pumps mit stuhlbeinlangen Absätzen segelte mir treuherzig in die Arme und wollte wissen, ob denn die Filmbranche keine Verwendung für ein armes,
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