JFK -Staatsstreich in Amerika
öffentlichen Ärgernisses freikam – hielt Agent Oswald seine
vorgegebene Rolle als Pro-Castro-Aktivist aufrecht: Er forderte einen bekannten
kommunistischen Anwalt an und teilte dem FBI in einer diskreten Note
gleichzeitig mit, für wen er wirklich arbeitete.
Zurück nach Moskau. Nachdem sein
Besuchsvisum nach einer Woche nicht verlängert und sein Begehren, in der UdSSR
zu bleiben, abgelehnt worden war, simulierte Oswald in seinem Hotel mit einem
Messer einen Selbstmordversuch und wurde in eine Klinik eingewiesen. Danach
sprach er auf dem US-Konsulat vor, um seine amerikanische Staatsbürgerschaft
abzugeben, und kündigte dem Konsularbeamten Richard Snyder gegenüber an, seine
militärischen Kenntnisse an die Russen weitergeben zu wollen – eine
Information, die Snyder umgehend in die USA meldete. Das führte prompt dazu,
dass sämtliche Radarcodes der geheimen U-2-Überwachungsflugzeuge, von den der
mit »Crypto«-Security ausgestattete Ex-Marine Oswald wusste, umgehend
ausgetauscht wurden. Es führte jedoch nicht dazu, dass bei der CIA eine Akte
über Oswald angelegt wurde. Zumindest ist eine solche Akte nicht bekannt. Die
»offizielle« CIA-Akte, die man später der Warren-Kommission zukommen ließ, ist
– o Wunder – erst ein Jahr später, am 9. Dezember 1960, angelegt worden.
Doch damit nicht genug mit dem
scheinbaren Desinteresse der CIA an dem Überläufer Oswald. Als er nach zwei
Jahren des Kommunismus und der Arbeit in einer Radiofabrik in Minsk überdrüssig
war und beantragte, zusammen mit seiner frisch angetrauten Frau Marina in die
USA zurückzukehren, setzte sich die US-Botschaft nicht nur dafür ein, dass
Marina umgehend und jenseits der offiziellen Immigrationsquote in die USA
kommen konnte, und schoss dem Paar auch nicht nur 435 Dollar Reisekosten vor –
nein, bei seiner Ankunft verzichteten alle in Frage kommenden Dienste zudem
darauf, Oswald zu verhören. Weder die CIA noch der Navy-Geheimdienst ONI, noch
sonst irgendeine Sicherheitsbehörde, die ansonsten jeden aus dem Ostblock
zurückkommenden Geschäftsmann oder Touristen ausführlich befragten,
interessierten sich für den Verräter und Kommunisten Oswald und für die Informationen,
die er in seinem über zweijährigen Aufenthalt in der UdSSR gewiss doch gewonnen
hatte. Drei Wochen nach seiner Ankunft fühlte ihm im texanischen Fort Worth
bloß das FBI wegen möglicher subversiver Neigungen auf den Zahn, jedoch mit
offensichtlich negativem Befund, dem schon wenig später fand er in Dallas einen
Job in einem graphischen Betrieb – Jaggers-Chiles-Stovall –, der unter anderem
geheimes Kartenmaterial für das Militär herstellte sowie die Fotos der
U-2-Flüge bearbeitete. Eine solche sicherheitssensible Arbeitsstelle mutet
äußerst merkwürdig an für einen vermeintlichen Verräter militärischer
Geheimnisse – es sei denn, wie Philip Melanson schreibt, »dass sich die Pfade
Oswalds und des Spionageflugzeugs schon wieder kreuzten, weil sie von derselben
Stelle programmiert waren«. 25 Er nutzte die hochprofessionellen Einrichtungen bei Jaggers auch für private
Fotos und stellte dort, wie der WR vermutet, nicht zuletzt die falschen Papiere
unter seinem Pseudonym »Alex J. Hidell« her (unter dem er, wie erwähnt, u.a.
sein Mannlicher-Gewehr bestellt hatte). Und er schickte vergrößerte Fotos an The
Worker , das Blatt der Kommunistischen Partei, das er neben anderen linken
Zeitungen abonniert hatte.
Als er während des Verhörs nach dem
Kennedy-Mord mit dem berühmtesten aller Oswald-Fotos konfrontiert wurde – auf
dem er posthum als Cover-Boy des Life Magazine in schwarzer Kluft, mit
gerecktem Gewehr in der einen und den Zeitungen The Militant und The
Worker in der anderen Hand erschien –, sagte er, dass er sich »mit
Fotografie auskennt« und dies eine Montage mit seinem Gesicht und einer anderen
Person sei, die irgendwer gemacht habe. Allerdings behauptete seine Frau
Marina, dieses Foto selbst mit einer billigen Boxkamera aufgenommen zu haben,
doch wie bei vielen ihrer Aussagen vor der Warren-Kommission – von denen sie
später sagte, sie habe sie nur unter Druck gemacht und erzählt, was die
Kommission hören wollte – verwickelte sie sich dazu in Widersprüche. Das Foto,
mit dem Life Oswald als militanten kommunistischen Kennedy-Mörder
(»Bewaffnet zum Morden«) darstellte, taucht einige Jahre später noch an anderer
Stelle auf – im Besitz jenes Mentors, der sich um Oswald nach seiner Rückkehr
aus Russland auf
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