Jhereg
unglücklicherweise konnte ich mich nicht auf mein Glück verlassen. Und, was noch schlimmer war, der Demon auch nicht. Was würde er wohl als nächstes probieren, fragte ich mich zum wiederholten Mal. Und wie groß wäre meine Chance, ihn zu stoppen? Die Antwort auf die letzte Frage gefiel mir gar nicht.
»Heute und morgen«, sagte ich.
»Und was«, wollte sie wissen, »geschieht dann?«
»Dann öffnen sich die Pforten des Todes. Die Sache wird mir aus den Händen genommen, meine Leiche taucht irgendwo auf, und ich verpasse einen tollen Krieg zwischen Dragon und Jhereg. Du wirst ihn erleben. Du Glückliche.«
Sie grinste mich boshaft an. »Vielleicht macht er mir Spaß«, sagte sie.
Ich lächelte zurück. »Das könnte sogar sein.«
»Allerdings«, gestand sie ein, »würde er dem Haus nicht guttun.«
Dem stimmte ich zu.
»Auf der anderen Seite«, sagte sie, »wenn ich ihn umbringe, dann gibt es kein Problem. Die beiden Häuser kämpfen nicht, und bloß die Dzur sind eingeschnappt, aber wen interessieren die schon? Naja, vielleicht fällt uns ja noch was ein, wie wir die Informationen vorher abfangen können.«
»Das ist nicht das Problem«, erklärte ich. »Das Problem ist, daß du am Ende tot bist, oder du mußt Morrolan töten. Und beide Möglichkeiten sind meiner Meinung nach nicht die Ideallösung.«
»Ich habe nicht die Absicht, meinen Cousin umzubringen«, machte Aliera deutlich.
»Toll. Dann läßt du ihn leben, aber sein Ruf ist tot.«
Das schien ihr aber egal zu sein. »Die Ehre meines Cousins läßt mich nicht kalt«, erklärte sie mir, »aber mir sind Präzedenzfälle wichtiger als Morrolan.«
»Da gibt es aber noch etwas«, fügte ich hinzu.
»Ach?«
»Um ehrlich zu sein, Aliera, ich bin nicht überzeugt davon, daß du dir Mellar schnappen kannst. Er hat zwei Profis, die ihn bewachen, beides gute Kämpfer und beides gute Zauberer. Ich habe dir schon erzählt, wer ihn im Schwertkampf ausgebildet hat, und denk daran, daß er gut genug war, sich ins Haus der Dzur zu kämpfen. Er ist darauf versessen, daß ihn allein ein Jhereg erledigt, und ich fürchte, er hat die notwendigen Vorkehrungen getroffen, um das zu erreichen. Ich bin mir ganz und gar nicht sicher, daß du in der Lage bist, ihn zu töten.«
Sie hörte sich meinen Monolog geduldig an und schenkte mir dann ein zynisches Lächeln. »Irgendwie«, sagte sie, »werde ich es schon schaffen.«
Ich entschloß mich, das Thema zu wechseln. Es gab nur noch eine Sache, die ich versuchen mußte – und die konnte mich womöglich umbringen. Eigentlich war mir gar nicht so recht danach, es auszuprobieren, deshalb fragte ich erst einmal: »Wo ist übrigens Sethra?«
»Die ist wieder auf dem Dzurberg.«
»Hä? Wieso?«
Aliera befaßte sich eine Weile mit dem Fußboden, dann wandte sie der Katze wieder ihre Aufmerksamkeit zu. »Sie bereitet sich vor.«
»Auf …?«
»Einen Krieg«, sagte Aliera.
Na toll: »Sie glaubt, daß es so weit kommen wird?«
Aliera nickte. »Ich habe ihr nicht gesagt, was ich beabsichtige, also nimmt sie wohl an, daß es in jedem Fall passieren wird.«
»Und sie will sichergehen, daß die Dragon gewinnen?«
Aliera warf mir einen Blick zu. »Für gewöhnlich«, erklärte sie, »kämpfen wir nicht, um zu verlieren.«
Ich seufzte. Also gut, jetzt oder nie.
»He, Boß, das willst du doch nicht wirklich machen?«
»Nein. Aber dafür werde ich bezahlt. Jetzt halt die Schnauze.«
»Eine Sache noch, Aliera«, sagte ich.
Sie verzog das Gesicht; vermutlich spürte sie etwas am Klang meiner Stimme. »Und die wäre?«
»Ich arbeite immer noch für Morrolan. Er bezahlt mich, und deshalb bin ich ihm ein gewisses Maß an Loyalität schuldig. Was du hier vorschlägst, steht im direkten Widerspruch zu seinen Wünschen. Und ich werde das nicht zulassen.«
Und da, einfach so, noch ehe ich ganz fertig war, hatte sie Wegfinder in der Hand und hielt mir die Spitze an die Brust. Kühl musterte sie mich. »Glaubst du wirklich, du kannst mich aufhalten, Jhereg?«
Ich hielt ihrem Blick stand. »Wahrscheinlich nicht«, gab ich zu. Ach, egal. Ich konnte ihr ansehen, daß sie bereit war, mich auf der Stelle zu töten. »Wenn du das tust, Aliera, dann wird Loiosh deine Katze töten.«
Keine Reaktion. Puuhhh! Manchmal glaube ich, Aliera hat überhaupt keinen Humor.
Ich sah an der langen Klinge hinab. Ein knapper Meter trennte sie von meiner Brust – und meiner Seele, die einmal ihr Bruder war. Ich erinnerte mich an eine Zeit, es
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